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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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sah.
    »Soll ich die Kanonen laden und ausrennen lassen, Sir?«
    Bolitho antwortete nicht direkt. »Informieren Sie den Stückmeister und Leutnant Joyce im unteren Batteriedeck über diese Taktik des Feindes. Wir haben noch Zeit,
Valkyrie
segelt zuerst ins Gefecht.« Er überlegte. »Der Feind wird versuchen, bei uns Masten und Rigg zu zerstören, damit wir den anderen nicht zu Hilfe eilen können. Aber unsere Zweiunddreißigpfünder reichen weiter. Mit Ketten- oder Stangenkugeln werden wir den Feind entmasten.«
    Es war nicht schwer gewesen, die französische Absicht zu durchschauen. Üblicherweise beschossen sie vor allem Masten und Rigg, während englische Schiffe sich auf schnelle Breitseiten verließen.
    »Ich weise den Stückmeister sofort entsprechend ein, Sir Richard«, sagte Keen. »Mr. Joyce ist tüchtig – ich werde dafür sorgen, daß er jede Kanone selbst richtet Wenn der Wind weiter so stetig bleibt wie jetzt, werden wir ihre Riggs gründlich zerstören.«
    Man hörte noch ein paar Schüsse, aber die Einschläge im Wasser sah niemand. Die Kugeln galten wahrscheinlich der
Valkyrie
. Die drei anderen Franzosen hatten gerefft und bereiten sich vor, den Dreidecker anzugreifen, in dessen Vortopp die Admiralsflagge wehte. Die erste Begegnung war entscheidend. Der kräftige Wind mußte die Gegner sofort danach wieder auseinandertreiben, dann würden sie viel Zeit brauchen, wieder eine günstige Schußposition zu erreichen.
    Pfeifen trillerten unter Deck, und die Stückpforten öffneten sich. Unter dem gewaltigen Gewicht der Kanonen erzitterte das Schiff bei jedem Ausrennen. Die Mannschaften richteten die Rohre mit Handspaken aus und brannten darauf, den Gegner endlich vor die Mündungen zu bekommen. Wieder schrillten die Pfiffe. Jede Kanone war jetzt feuerbereit. Die schweren Kaliber im Unterdeck waren mit mörderischen Ketten- und Stangenkugeln geladen. Einige sahen aus wie Barren, die beim Flug ihre Länge verdoppelten. Andere erinnerten an eiserne Spaten, die nach dem Abschuß wie Windmühlenräder durch die Luft wirbelten.
    »Zwei Strich abfallen! Ich möchte die feindlichen Gefechtslinien auseinanderziehen«, befahl Keen.
    In diesem Augenblick eröffnete zuerst die
Valkyrie
und dann die
Relentless
das Feuer. Weißer Pulverdampf glitt durch die Segel und Masten wie niedrige Wolken.
    Manche Breitseiten schlugen zu kurz ins Wasser und schütteten nur Fontänen auf die feindlichen Schiffe. Die Luft erzitterte, als die französischen Batterien antworteten und rot-gelbe Zungen aus ihren Mündungen fuhren. Wie Bolitho vorhergesehen hatte, fiel die Antwort nicht sehr kräftig aus. Die französischen Kanonen im Unterdeck lagen zu nahe am Wasser; es schien, als könnten die feindlichen Offiziere die Rohre nicht genügend aufwärts richten, um die beiden Vier- undsiebziger zu treffen.
    »Kurs halten!« Keen überquerte das Achterdeck, seine Augen waren überall und prüften alles: den Stand der Segel, die Manöver des Feindes. Die beiden Gegner näherten sich auf konvergierenden Kursen. Hinter der feindlichen Linie konnte Keen die einsame, schnittige Fregatte erkennen. Er wollte Bolitho darauf hinweisen, doch der hatte sie schon gesehen.
    »Sie führt die Flagge eines Vizeadmirals«, sagte Bolitho.
    »Das ist genau das, was ich von Baratte erwartet habe. So hat er alles im Griff und kann sich leicht zwischen den Formationen bewegen.«
    Sedgemore schritt übers Oberdeck, den blanken Degen auf einer Schulter, während er noch einmal von Mannschaft zu Mannschaft ging. Die Stückführer hielten ihre Abzugsleinen schon gespannt. Matrosen standen auf beiden Seiten jeder Lafette, um den Lauf sofort feucht auszuwischen und nachzuladen, wie sie es in unzähligen Drillstunden gelernt hatten. Die Schiffsjungen hatten Sand auf die Planken gestreut, andere hielten sich bereit, Pulver aus den Magazinen zu holen. Diese Jungen kamen aus den Armenvierteln der Hafenstädte oder waren ungewollte Kinder bereits allzu kinderreicher Familien. Obwohl sie im gleichen Alter wie die Midshipmen waren, lagen Welten zwischen ihnen.
    Keen zog seinen Degen und warf Tojohns die Scheide zu. Er würde die Waffe erst wieder loslassen, wenn der Feind kapituliert hatte oder man ihm den Griff aus der toten Faust wand.
    Sehr behutsam änderte das französische Führerschiff der ersten Linie seinen Kurs. Bolitho stellte sich die Reaktionen von Joyce und seiner Männer im Batteriedeck vor: nur die offenen Stückpforten, das glitzernde Wasser – und dann,
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