Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
Zweideckers. Dann hörte Keen Tojohns aufschreien und sah, wie er sich zu einer verlassenen Kanone schleppte. Blut stürzte aus seinem Mund. Jenour kniete sich neben ihn, schüttelte aber schon den Kopf.
    »Er ist tot, Sir!«
    Bolitho brüllte: »Hierher, Stephen!« Die Scharfschützen des Feindes hatten durch allen Qualm Jenours Uniform ausgemacht.
    Auch an Jenour zeigte sich jetzt der Wahnsinn dieser Schlacht. Er lüftete grüßend seinen Hut in Richtung der Feinde und ging langsam übers Deck zurück zu Bolitho.
    Ein plötzlicher Ruck ließ die
Black Prince
erzittern. Der Bugsprit des anderen Schiffes hatte sich ins Rigg ihres Besanmastes gebohrt wie ein Rammbock. Männer sprangen herüber, ließen sich auf die Rüsten fallen oder jagten über die Seitendecks nach vorn. Brüllende Matrosen liefen ihnen entgegen und trieben sie in das schmaler werdende Wasser zwischen den Schiffen zurück. Leutnant Sedgemore brüllte: »Zwei Mann hierher! Helft mir, die Kanone auszurichten …« Eine Kugel traf ihn in die Brust. Langsam, mit ungläubigem Blick, sank er in die Knie. Er war tot, noch ehe sein Blut die Planken färbte.
    »Ich werde die Flagge nicht streichen!« schrie Keen.
    Bolitho zog seinen Degen und sah neben sich Alldays großen Schatten. »Und ich auch nicht!«
    Irgendwo schmetterte eine Trompete durch den Qualm.
    Als habe man auf dieses Signal gewartet, verstummte der Schlachtenlärm auf den Schiffen, als wäre jedermann plötzlich taub geworden. Doch dann holten die Schreie der Verwundeten und Sterbenden sie alle in die grausame Wirklichkeit zurück.
    Keen wischte sich den Mund. »Was ist denn?« Er sah Midshipman Houston neben sich, ein Splitter hatte ihm die Backe aufgerissen. »Los, aufentern!«
    Dann hörte er Houstons Stimme schrill und wie erschreckt durch den Lärm dringen: »
Valkyrie
meldet, Sir: ›Schiffe in Nordwest‹!«
    Bolitho packte Keens Arm, bis er schmerzte. »Er ist da!
    Endlich, Val.« Er schaute über das dunkelrot gefärbte Deck, auf die Toten, die kriechenden und weinenden Verwundeten.
    »Wäre er nur früher gekommen!«
    Die französischen Schiffe nahmen Fahrt auf. Der Wind wehte den Pulverqualm weg, und Bolitho sah die einsame Fregatte mit der Flagge eines Konteradmirals am Besantopp. Und dann tauchte aus dem Rauch dahinter die
Tybalt
auf. Ihre Segel waren durchlöchert, tiefe Narben zeigten sich in ihrem Rumpf.
    Doch Bolitho starrte nur auf die bewegungslose Fregatte des Feindes. Er rieb sich das verletzte Auge, bis er vor Schmerzen aufstöhnte. »Die Flagge, Val!« rief er. »Sehen Sie hin und sagen Sie mir, ob ich verrückt bin!«
    Keen versuchte zu lächeln. Der Wahnsinn verwehte langsam. »Auf der französischen Fregatte weht unsere Flagge, Sir.« Und dann fragte er überrascht: »Wer hätte das dem Kommandanten der
Tybalt
zugetraut?«
    Houston meldete sich wieder: »Das erste der neuen Schiffe ist die
Matchless
, Sir. Sie führt die Flagge eines Konteradmirals.« Dann eine Pause, als traue er seinen Augen nicht. »Auch die anderen sind britische Schiffe!«
    Was sonst noch gesagt wurde, übertönte das laute Jubelgeschrei der Männer. Sie kamen aus Niedergängen und von den Kanonen. Andere blieben oben im Rigg und brüllten winkend.
    »Verfolgung aufnehmen, Sir?« fragte Keen.
    Bolitho stützte sich auf das sonnengebleichte Holz der Reling. Er sah Blut an seinem Ärmel, nicht sein eigenes, aber von wem, das konnte er nicht sagen.
    »Keine Verfolgung, es hat schon genügend Tote gegeben. Und die Pläne des Feindes in Westindien haben wir vereitelt.« Er wischte sich über das Gesicht. Herrick hatte sie also nicht im Stich gelassen. Ohne ihn wären die
Black Prince
und seine anderen Schiffe überwältigt worden.
    Er hatte den Feind zerstreut. Unter sinnlosen Opfern, würde mancher Kritiker behaupten. Aber hätte er sich dem Feind ergeben, um Leben zu retten, hätte man seine Ehre in den Schmutz gezogen. Er blickte in die pulvergeschwärzten, erschöpften Gesichter, die er kannte und liebte. Für seine Gefühle gab es kein anderes Wort.
    Allday drehte sich um und nahm Ozzard einen Krug Wasser aus der Hand. Keen überlegte schon, wie er das Schiff schnell wieder einsatzbereit machen konnte – gegen das Meer oder gegen den Feind. Bolithos Blick umfaßte auch jene, die er nur vom Sehen oder mit dem Namen kannte, wie die beiden Midshipmen neben ihm, die jetzt wie erlöst weinten. Ihnen war egal, wer es sah oder hörte. Dann Julyan, der Master, der sein rotes Schnupftuch, von dem er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher