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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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Der formelle Ton war für die Mithörer bestimmt, die sich später daran erinnern würden.
    Keen lächelte. »
Portsmouth Lass,
Sir?«
    Sie sahen einander an, erinnerten sich. »Keine andere.«
    Und während das Schiff auf den unbekannten Feind zusegelte, marschierten die beiden Seesoldaten mit ihren Querpfeifen über das Deck und spielten eine Melodie, die weder Bolitho noch Keen je vergessen würden. Bolitho tastete unter seinem Hemd nach dem Medaillon und drückte es gegen seine Haut. Ich bin hier, Kate, und du bist bei mir.
    Leutnant Sedgemore beobachtete Bolitho und Flaggkapitän Keen. Immer noch konnte er die gewaltige Übermacht des Feindes nicht begreifen. Aber wenn das alles vorbei war … Sein Blick suchte die Stelle des Achterdecks, wo sein Vorgänger so schrecklich gestorben war, als sehe er ihn noch dort liegen – zerrissen.
    Ihm wurde kalt, trotz der zunehmenden Wärme. Er hatte etwas erlebt, das ihm bisher unbekannt war: nackte Angst.

Der beraubte Sieger
    Bolitho zupfte an seinem Hemd, das an der Haut klebte. Schiffsjungen schleppten Becher und Eimer mit Trinkwasser zu den Mannschaften an den Kanonen. Es schien eine Ewigkeit her, seit
Valkyries
Signal: »Feind in Sicht!« von allen bestätigt worden war.
    Black Prince
hatte die Rahen hart angebraßt, um so hoch wie möglich am Wind zu segeln. Bolithos drei Linienschiffe hielten ihre Positionen in Dwarslinie mit jeweils einer halben Meile Abstand. Der Feind hatte halben Wind von Backbord, und seine Schiffe rollten heftig. Im einen Augenblick standen seine Segel hart wie Brustpanzer, im nächsten schlugen sie Falten wie nasse Lappen.
    Bolitho spähte ins Rigg. Schutznetze waren überall aufgespannt, damit von oben kommende Blöcke oder Spieren die Männer an Deck nicht verletzen oder töten konnten; sie waren so gefährlich wie feindliche Kugeln. Bolitho kam es vor, als säßen sie in einer Falle: die Männer, die Waffen, alles, was ihr Alltag gewesen war.
    Er suchte die Fregatte
Tybalt
und sah sie gegen den Wind aufkreuzen. Sie hatte ähnliche Schwierigkeiten wie der Feind. Wenn er nahe genug war, würde Kapitän Esse aus seiner harterkämpften Luvposition über die Versorgungsschiffe des Feindes herfallen und sie mit seinen Breitseiten versenken oder vertreiben. Seine Überlebenschancen waren gering, aber jeder Fregattenkommandant wußte das. Der Preis der Unabhängigkeit war hoch.
Tybalt
war für solche Aktionen geplant und gebaut, aber ihre Bordwände würden natürlich dem massiven Feuer von Linienschiffen nicht standhalten.
    Bolitho ließ sich von Midshipman De Courcy ein Teleskop geben und richtete es auf die gestaffelte Feindformation aus, die noch weit entfernt an Steuerbord stand. So verdammt langsam! Er hatte wieder mal recht behalten: Es würde Mittag werden, ehe man die ersten Probeschüsse wechselte.
    Und warum das alles? Was davon bleiben würde, war eine kurze Meldung in der
Gazette
wie damals über die
Hyperion
. Kaum jemand hatte von ihrem Untergang Kenntnis genommen, der Sieg bei Trafalgar und der Tod Nelsons hatten alles an den Rand gedrängt.
    Ferguson würde von ihrem Ende als erster erfahren, entweder in der Stadt oder vom Postjungen. Und von ihm Catherine. Endlos dehnte sich die Zeit. Die Männer lehnten an ihren Waffen, einige vor Spannung schon so atemlos, als seien sie erschöpfte Überlebende einer Schlacht.
    Was bedeutete Martinique wirklich für England? Sie hatten es 1794 von den Franzosen erobert und es ihnen – typischerweise – nach dem Frieden von Amiens zurückgeben. Immer wieder das gleiche! Bolitho dachte an den verbitterten Unteroffizier der Seesoldaten, der ihm einst gesagt hatte: »Wenn es sich lohnt, dafür zu sterben, dann lohnt es sich auch, daran festzuhalten.«
    Doch über die Jahre war Bolithos einsamer Protest ungehört verhallt.
    Jetzt, da in Europa ein Ende des Krieges zumindestens möglich schien, ging es gegen seine innerste Überzeugung, Schiffe und Männer sinnlos zu opfern. Aber sie mußten hier wieder einmal ins Gefecht, nicht weil es sinnvoll oder unvermeidlich war, sondern weil der Krieg und seine Logik den Herren, die aus der Ferne seine Strategie bestimmten, offenbar über den Kopf gewachsen war.
    Keen trat neben ihn. »Falls der Rest des Geschwaders uns findet, Sir, könnten wir noch gewinnen. Aber weil Kapitän Crowfoot keine Ahnung haben kann …« Er drehte sich um und sah zu, wie die
Tybalt
im hellen Sonnenlicht wieder einmal über Stag ging.
    »Ich kann die
Tybalt
nicht detachieren, um
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