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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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und Trafalgar verlorengegangen war.
    »Andre Baratte, Val. Dem werden wir heute begegnen.« Verspätet fiel Bolitho ein, daß keiner der Männer um ihn herum im damaligen Krieg gekämpft hatte. Außer Allday, aber der würde mit dem Namen des Franzosen nichts anfangen können. Die kleine Schar Auserwählter. Verschwunden alle, getilgt aus Zeit und Erinnerung.
    Keen versuchte zu verstehen, was Bolitho bedrückte. »Kann ich helfen, Sir?«
    »Baratte war ein kühner Fregattenkapitän, Val. Ich zweifle nicht daran, daß er als Admiral genauso gut kämpft.« Er schaute nach unten, wo sich die Wellen mit weißen Kämmen brachen. »Geben Sie das an
Relentless
und
Valkyrie
weiter und erklären Sie es ganz genau. Kommandant Flippance kann damit vielleicht wenig anfangen, aber auch er sollte auf einen kühnen Gegner vorbereitet sein.«
    Bolitho trat zur Seite, als Midshipmen und Matrosen sich wieder eifrig an den Flaggleinen zu schaffen machten. Thomas Herrick würde Baratte kennen, weil er wahrscheinlich in den Depeschen erwähnt worden war. Mit solch einer Nachricht würde die Admiralität in der Tat eine Fregatte auf den Weg über den Atlantik schicken. Es machte ihn krank, wenn er daran dachte, daß Herrick sich geweigert hatte, rechtzeitig zu handeln. Er konnte ihn sich kaum noch als den tapferen Offizier vorstellen, der er mal gewesen war. War er von ihnen beiden wirklich der einzige, der noch an eine enge Freundschaft zwischen ihnen glaubte?
    Hoch über ihnen hockte auf der Großrah Leutnant Stephen Jenour, bestaunt von einem neugierigen, bezopften Seemann, und musterte die glänzende See. Er spürte die erste Hitze des Tages. Sehr sorgfältig richtete er sein Teleskop aus und wartete darauf, daß das feindliche Schiff aus einem tiefen Wellentrog wieder auftauchte. Er konnte Masten und Rahen unter sich zittern fühlen, hörte den Wind im Rigg stöhnen und durch die Segel streichen. Anders als Bolitho machte ihm die Höhe nichts aus; und er konnte nie genug davon bekommen, hier oben zu sitzen, über allen anderen.
    »O mein Gott!« Seine Hand krampfte sich um das Fernglas. Er konnte gerade noch die Schiffe erkennen, die
Tybalt
gemeldet hatte. Aber die Fregatte hielt sich abseits von den anderen, steuerte sogar einen anderen Kurs.
    Der Ausguck fragte: »Was Schlimmes, Sir?«
    Jenour sah ihn an. Ein erfahrener Mann offensichtlich, einer der wenigen, die manche Schlacht überlebt hatten.
    »Nehmen Sie mal mein Glas«, sagte er.
    Der Mann kniff die Lider zusammen und schaute hindurch. Die Falten um seine Augen hatten sich tief in die lederfarbene Haut eingegraben.
    »Hinter den Schiffen, Sir …« Er schüttelte den Kopf, als könne er es nicht glauben. »Hinter den ersten Schiffen, Sir, sehe ich eine ganze Flotte!«
    Jenour kletterte eilig nach unten, wo ihm Bolitho zunächst schweigend zuhörte. »Es wird eine Invasionsarmee sein. Adam hat nur einen Teil davon gesehen, jetzt haben wir die Hauptmacht vor uns.«
    Keen fragte: »Können wir sie aufhalten, Sir?«
    »Bis Hilfe kommt, sicher.«
    Bolitho schaute zum Horizont, wo immer noch Nebel wie Pulverdampf nach einer lautlosen Schlacht lagerte. »Setzt die Boote aus und laßt sie treiben. Der Sieger kann sie später einsammeln.«
    »Wenn …« Jenour fühlte Angst, wenn er an die heransegelnde Flotte dachte. »Wenn es derselbe französische Offizier ist, den Sie meinen, und wenn er in der Fregatte mitsegelt …«
    Bolitho versuchte ein Lächeln. »Zu viele Wenn, Stephen.«
    »Er wird wissen, daß Sie hier sind, Sir Richard. Er wird auch wissen, daß Sie noch niemals vor einem Feind geflohen sind.«
    Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm. »Dann habe ich einen Vorteil verloren. Doch ich fürchte, Sie haben recht.«
    Er sah, wie das erste Boot zu Wasser gelassen und dann am Treibanker hängend losgeworfen wurde. Plötzlich mußte er wieder an die
Golden Plover
denken. Hatte das Schicksal es so vorherbestimmt? War sein Tod nur bis heute verschoben worden? Und dann schien er Catherines Stimme zu hören: Verlaß mich nicht! Stumm antwortete er:
Niemals!
    Keen musterte das Deck, prüfte die Ordnung vor der Schlacht. Männer standen oder hockten herum und warteten schon auf den nächsten Befehl. Der Kommandant schätzte den Preis ab, den er für diesen Tag würde bezahlen müssen: Tote und Sterbende auf den Planken, so viele wie damals auf Herricks Flaggschiff.
    Bolitho brach in seine Gedanken ein. »Wir brauchen ein bißchen Musik, um uns die Zeit zu vertreiben, Kapitän Keen.«
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