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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind
Autoren: John Hart
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Abgespannt.«
    Der Cop sah über die Lüge hinweg, aber sein Gesicht blieb traurig. Sein Blick fiel auf das Aspirinfläschchen, auf den Tomatensaft, und es war offensichtlich, dass er über Trinker und Junkies besser Bescheid wusste als die meisten. »Du bist nicht der Einzige, der leidet, Johnny. Du bist nicht allein.«
    »Allein genug.«
    Der Cop seufzte tief. Er nahm eine Karte aus der Tasche und schrieb eine Nummer auf die Rückseite. Dann gab er sie dem Jungen. »Wenn du je etwas brauchen solltest.« Er sah entschlossen aus. »Tag und Nacht. Das meine ich ernst.«
    Johnny warf einen Blick auf die Karte und steckte sie in die Tasche seiner Jeans. »Wir kommen zurecht«, sagte er und schob den Einkaufswagen um den Cop herum. Der Cop legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Wenn er dich noch mal schlägt ...«
    Johnny erstarrte.
    »Oder deine Mutter...«
    Johnny schüttelte die Hand ab. »Wir kommen zurecht«, wiederholte er. »Ich hab alles im Griff.«
    Er drängte sich an dem Cop vorbei und hatte eine Riesenangst, er könnte ihn festhalten und noch mehr Fragen stellen oder eine der hartgesichtigen Frauen vom Jugendamt rufen.
    Der Einkaufswagen schrammte an der Kassentheke vorbei, und die dicke Frau auf dem abgenutzten Hocker senkte den Kopf und zog die Brauen hoch. Sie war neu im Laden, und Johnny erkannte die Frage in ihrem Blick. Er war dreizehn, aber er sah ein paar Jahre jünger aus. Er zog den Hunderter aus der Tasche und legte ihn mit der Vorderseite nach oben auf das Fließband. »Können Sie bitte schnell machen?«
    Sie ließ eine Kaugummiblase platzen und runzelte die Stirn. »Immer mit der Ruhe, Schätzchen. Geht gleich los.«
    Der Cop trödelte drei Schritte hinter ihm, und Johnny fühlte seinen Blick im Rücken, während die dicke Frau die Einkäufe in die Kasse tippte. Johnny zwang sich zu atmen, und nach einer Weile ging der Cop an ihm vorbei. »Heb die Karte gut auf«, sagte er. »Okay.« Johnny brachte es nicht über sich, ihm in die Augen zu sehen. Der Cop drehte sich um, und sein Lächeln war nicht entspannt. »Es ist immer gut, dich zu sehen, Johnny.«
    Er verließ den Supermarkt, und Johnny sah ihn durch die breite Schaufensterscheibe. Er kam an dem Kombi vorbei, kehrte um und blieb kurz stehen. Er spähte durch das Seitenfenster und ging dann nach hinten, um einen Blick auf das Kennzeichen zu werfen. Anscheinend zufriedengestellt, näherte er sich seinem Wagen und öffnete die Tür. Er schob sich ins Halbdunkel und blieb sitzen.
    Er wartete.
    Johnny versuchte seinen rasenden Herzschlag zu bremsen und griff nach dem Wechselgeld in der feuchten, fleischigen Hand der Kassiererin.
    Der Cop hieß Clyde Lafayette Hunt. Detective. Das stand auf seiner Karte. Johnny hatte eine ganze Sammlung davon in seiner obersten Schublade, versteckt unter den Strümpfen und einem Foto von seinem Dad. Manchmal dachte er an die Telefonnummer auf der Karte, aber dann dachte er an Waisenhäuser und Pflegestellen. Er dachte an seine verschwundene Schwester und an das Bleirohr zwischen seinem Bett und der Wand, aus der kalte Luft sickerte. Wahrscheinlich meinte der Cop es ernst mit dem, was er sagte. Wahrscheinlich war er in Ordnung. Aber Johnny konnte ihn nie ansehen, ohne an Alyssa zu denken, und solche Gedanken erforderten Konzentration. Er musste sie lebendig und lächelnd vor sich sehen, nicht in einem Keller mit festgestampftem Lehmboden oder im Kofferraum irgendeines Autos. Sie war zwölf, als er sie zuletzt gesehen hatte. Zwölf Jahre alt, mit schwarzem Haar, kurz geschnitten wie bei einem Jungen. Der Einzige, der gesehen hatte, was passiert war, hatte erzählt, sie sei geradewegs auf den Wagen zugegangen und habe gelächelt, als die Wagentür sich öffnete.
    Hatte gelächelt, bis jemand sie packte.
    Johnny hörte dieses Wort ständig. Gelächelt. Als sei es in seinem Kopf hängen geblieben — ein einziges Wort auf einer Tonbandaufnahme, die er nicht anhalten konnte. Aber er sah ihr Gesicht, wenn er schlief. Er sah, wie sie zurückschaute, als die Häuser hinter ihr immer kleiner wurden. Er sah, wie die Besorgnis aufflackerte, und er sah, wie sie schrie.
    Johnny merkte, dass die Kassiererin ihn anstarrte. Er streckte immer noch die Hand mit dem Wechselgeld aus, und seine Einkäufe waren in den Tüten. Sie hatte eine Braue hochgezogen, und ihre Kiefer mahlten auf dem Kaugummi.
    »Brauchst du noch was, Schätzchen?« Johnny schrak zusammen. Er zerknüllte die Scheine und stopfte sie in die Tasche. »Nein«,
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