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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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wirke, mein lieber Herr Becker, ist tatsächlich und immer
wieder ganz allein meine Sache. Ich könnte den ganzen Tag so wirken, als wollte
ich was sagen, ohne das auch wirklich tun zu müssen oder zu wollen.«
    Becker wirkte irritiert. »Ja, aber …«
    »Nichts aber, mein lieber Becker.« Rosenmair grinste. »Darf ich Sie
daran erinnern, dass Sie zu mir gekommen sind? Es ist sehr wahrscheinlich, dass
Sie etwas von mir wollen, oder?«
    Becker wurde leicht rot. »Ja, das stimmt natürlich, tut mir leid,
das habe ich vor lauter Stress ganz vergessen. Ich hab im Moment wirklich zu
viel um die Ohren.«
    Rosenmair deutete auf den Zettel in Beckers Hand und meinte mit
gespieltem Entsetzen: »Jetzt sagen Sie nicht, das ist ein Haftbefehl.«
    Becker sah ebenfalls auf das Stück Papier, verwirrt oder zumindest
ein bisschen verwundert. Dann berappelte er sich wieder. »Nein, Quatsch, wie
kommen Sie denn darauf?«
    Rosenmair lächelte sanft. »Bei Ihnen weiß man nie so genau, Herr
Kriminalhauptkommissar. Aber worum geht’s denn nun wirklich? Und kommen Sie
doch endlich mal rein, das müssen wir ja nicht in aller Öffentlichkeit
besprechen.«
    Öffentlichkeit? Becker sah sich irritiert um, als müsste gleich
mindestens eine Busladung von Touristen um die Ecke biegen. Doch an der Ecke
saß nur eine schläfrige Katze und gähnte auch noch ganz passend in diesem
Moment. Nein, Öffentlichkeit war hier eher nicht zu erwarten.
    Er folgte Rosenmair ins Innere des Hauses. Becker freute sich immer,
es zu betreten. In diesem Haus fühlte er sich wohl, er konnte nicht mal so
richtig sagen, warum. Das war schon bei Marlenes Tante Hedwig so gewesen, mit
der Becker sich gut verstanden hatte.
    Drinnen legte er den zusammengerollten Zettel auf den Küchentisch,
sah sich um und deutete dann auf Rosenmairs Kühlschrank. »Da waren Sie doch
schon mal länger, oder?«
    Jetzt war es Rosenmair, der auf der Leitung stand. »Äh, an meinem
Kühlschrank? An dem bin ich eigentlich sogar täglich, aber ob jetzt länger …«
    Becker ließ sich nicht beirren und deutete weiter auf die
Kühlschranktür. »Nein, da, meine ich, hier, in …« Er
beugte sich vor, um die Schrift zu entziffern. »… Massachusetts.« Er
setzte sich.
    »Ach so, die Postkarte. Ja, die hat mir ein alter Bekannter
geschickt. Und ja, da war ich mal, auch länger. Wieso?«
    »Wie sind die denn da so?« Becker sah ihn ehrlich interessiert an.
    ***
    Ehrlich interessiert war auch Ann-Britt, die sich im Porsche
neben Philipp, ihrem Mann, zum ersten Mal Waldniel, dem jetzigen Wohnort ihres
Vaters, näherte. In seiner Richterzeit in Trier hatte sie ihren Vater zwar mal
besucht, an den Niederrhein hatte sie es bislang aber noch nicht geschafft.
Nicht, dass Rosenmair das groß gestört oder er besonders intensiv daran
gearbeitet hätte, das zu ändern. Er kam mit seiner einzigen Tochter am besten
zurecht, wenn eine Distanz von mindestens hundert Kilometern zwischen ihnen
lag. Dass Ann-Britts Mann nicht wie sie in der Eifel, sondern in Düsseldorf
lebte, also ganz in Rosenmairs Nähe, empfand der Richter als beinahe
irritierend. Seine Tochter hatte immer wieder mal angekündigt, dass sie ja auch
mal »ganz spontan« vorbeikommen könnte, »auf einen Sprung«, wenn sie auf dem
Weg »zu dem Philipp« oder wieder zurück war. Rosenmair hatte auf solche
Ankündigungen entweder gar nicht oder schlicht mit der Wahrheit reagiert und
gesagt, dass er dann durchaus auch »ganz spontan« nicht da sein könnte.
Ann-Britt hatte dann immer gelacht und neckisch seinen »schwarzen Humor«
gelobt. Und das konnte er fast noch weniger ab als ihren tatsächlichen Besuch.
    Philipp Lindner bog jetzt rasant in die kleine Straße ein, in der
Rosenmair lebte. Ann-Britt wurde wieder etwas mulmig in der Magengegend. Zwar
quietschten die Reifen nicht, noch nicht, doch die eben noch vor sich hin
dösende Katze machte schleunigst, dass sie wegkam. Wahrscheinlich ahnte sie,
dass der Mann am Steuer eigentlich keine Tiere mochte, nicht mal niedliche. Philipp
Lindner ließ sich zwar zu fast jeder Aktion hinreißen, wenn es ihm und/oder
seiner Partei nützte, das Streicheln von Hunden und Katzen gehörte allerdings
nicht dazu. Seine »Fronzeit«, wie er seine zwei Jahre im
Landwirtschaftsausschuss nannte, hatte er nach Möglichkeit in Sitzungen,
Konferenzen und auf Podiumsdiskussionen verbracht und so wenig wie möglich auf
Bauernhöfen, in Ställen oder bei Veranstaltungen in ländlicher Umgebung.
Natürlich kamen
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