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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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reagierten extrem empfindlich auf den Dreck der Welt, den
     sichtbaren, spürbaren und den, der nur zu erahnen war. Seine Verpflichtungen
     ließen ihn jedoch nicht von hier fort. Das fast verwaiste Elternhaus stand
     hier, und in Wesel wartete eine neue Arbeitsstelle auf ihn.
    Dies sei nur eine Mitteilung, sagte die Fahrerin, als sie an der Abfahrt
     Alpen/Wesel die Autobahn verließen, eine Umleitung, die durch Büderich geführt
     werde, könne zu einer zeitlichen Verzögerung von bis zu dreißig Minuten führen. Over and out.
    Der Mann auf dem Rücksitz nahm seine Sonnenbrille ab, die Härte seines
     Blickes, der ihre Augen für einen Moment im Rückspiegel traf, ließ sie
     unwillkürlich wieder nach vorn schauen. Der Rückstau des umgeleiteten Verkehrs
     reichte bis zum ehemaligen Hotel Bürick an der B 58. Kommentarlos bog die
     Fahrerin links ab und nutzte einen parallel laufenden Wirtschaftsweg, um an der
     Schlange vorbei bis zur innerdörflichen Ampel zu gelangen, reihte sich dort
     wieder in Fahrtrichtung Wesel ein. Mit diesem Fahrgast schien nicht gut
     Kirschen essen zu sein, schätzte sie, Trinkgeld würde er auch nicht geben,
     höchstens eine doppelte Quittung verlangen, eine für das Finanzamt und die
     zweite für sein Ego.
    Er betrachtete von Weitem die roten Litzenbündel und den Pylon der neuen
     Rheinbrücke, richtete sich auf. Gestärkt und erholt wollte er sich seiner neuen
     Aufgabe stellen. Es musste einfach klappen in der Klinik in der Aue. Die Mitte
     der Fünfziger hatte er überschritten, und einzig und allein sein neuer, zweiter
     Doktortitel hatte in der Bewerbung überzeugt. Jemand, der sich in dem Alter
     noch spezialisiert, der musste geistig sehr rege und belastbar sein, man hatte
     ihm Hochachtung entgegengebracht. Es war an der Zeit, hier endlich Fuß zu
     fassen. Hier lagen seine Wurzeln. Zwei Doktortitel würden ihm auf Anhieb die
     Mitgliedschaft in diversen Golfclubs ermöglichen und die Türen zu anderen
     angesehenen Kreisen öffnen. Er hatte alles recherchiert, überließ nichts dem
     Zufall.
    Nur der Weg nach Wesel schien dieses Mal mit Hindernissen bespickt zu
     sein. Ein Lkw hatte auf dem einzigen Zubringer zur Brücke einen Pkw gerammt, es
     gab kein Fortkommen und keinen Ausweg. Er saß in diesem Bazillenbomber fest,
     die Innentemperatur stieg, Schweißperlen bildeten sich auf seinem kahlen Schädel.
    Die Fahrerin streifte ihn mit einem Blick in den Rückspiegel und bemerkte
     die Nässe auf der Glatze. Sie ließ die Hände am Lenker. Sie würde die
     Klimaanlage nicht einschalten, nicht für dieses Ekelpaket.
    Der Mann schien sich zu verkrampfen, streckte die Finger in den dünnen
     Stoffhandschuhen, die Hitze schien den Händen nicht zu bekommen. Er lupfte die
     Ränder an den Innenseiten der Handgelenke und blies abwechselnd in den linken
     und rechten Handschuh. Anscheinend brachte ihm das Erleichterung. Dennoch wurde
     ihr Fahrgast zusehends unruhiger, öffnete das Fenster, setzte die Sonnenbrille
     wieder auf und blickte auf die Platanenallee entlang der B 58 mitten in
     Büderich.
    »Wenn et juckt, gibbet Ärger«, hatte sein Vater immer gesagt. Als aufrechter
     Mann hatte er stets gemeint, was er sagte, das konnte der Sohn heute noch
     spüren.
    Es würde wieder passieren. Es gab immer jemanden, der für den ganzen
     Dreck bezahlen würde, einen, der verantwortlich war, der dafür büßen müsste,
     dass es so war, wie es war.
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