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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben
Autoren: Marina Lewycka
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hatte, hatte heimlich versucht, sie aus meinem Korb zurückzuklauen. Doch Mrs. Shapiro entriss sie ihm und hielt sie in die Luft.
    »Du Dieb! Zahl gefälligst den vollen Preis für deine Würstchen, wenn du welche willst!«
    Erniedrigt und geschlagen zog der Rentner Leine. Mrs. Shapiro drehte sich triumphierend zu mir um.
    »Ich wohne nicht weit von Ihnen. Großes Haus. Großer Garten. Zu viele Bäume. Totley Place. Kanaanhaus. Kommen Sie am Samstag um sieben.«
    »Haben Sie eine Kundenkarte?«, fragte das Mädchen an der Kasse, als sie meine Schnäppchen über das Lesegerät zog (wo war die widerlich aussehende Käsesoße hergekommen?).
    Ich schüttelte den Kopf und murmelte etwas von wegen Überwachungsgesellschaft, das auch von Rip hätte stammen können. Hinter mir in der Schlange fing Mrs. Shapiro Streit mit jemandem an und ich bereitete mich auf einen schnellen Abgang vor.
    »Bravo, Darlink! Die Überwacher sind überall«, rief sie, während sie vorwärtsdrängte und dem Mann vor ihr den Einkaufswagen in die Hacken rammte. Der Mann war ein Hüne mit kurzem blondem Bürstenschnitt, gebaut wie ein Rugby-Spieler. Er drehte sich um und warf ihr einen finsteren Blick zu.
    »Tut mir leid, Darlink, tut mir leid.« Roter Lippenstift leuchtete auf. Blaue Lider klimperten. Der Hüne schüttelte traurig den Kopf. Der Anblick von Verrückten schien ihn zu deprimieren.
    Er passierte die Kasse und ging hinaus auf den Parkplatz. Ich beobachtete, wie er seine Einkäufe in einen schweren schwarzen Geländewagen mit getönten Scheiben räumte, der auf einem Behindertenparkplatz vor Mrs. Shapiros Kinderwagen stand.
    Direkt dahinter hatte sich seitlich ein blauer dreirädriger Reliant Robin gestellt. Innen an der Scheibe klebte ein Behindertenausweis. Der Hüne legte den Rückwärtsgang ein - sein Wagen sah aus wie einer dieser Humvee-Monstertrucks - und wollte ausparken, doch der Robin versperrte ihm den Weg. Auf der anderen Seite lud Mrs. Shapiro ihre Tüten in den Kinderwagen. Er fuhr ein Stück vor und streckte den Kopf aus dem Fenster.
    »Können Sie Ihren Wagen zur Seite schieben, damit ich rausfahren kann, Lady?«
    »Einen Moment, bitte«, rief Mrs. Shapiro. »Ich muss mir noch einen Rabatt geben lassen!« Sie hatte auf einem noch nicht reduzierten Apfel einen braunen Fleck gefunden und lief in den Laden zurück, um einen Sonderpreis auszuhandeln.
    Während ich wartete, kam der Fahrer des Robin zurück. Es war ein kleiner verschrumpelter Mann, der am Stock ging. Er stieg in den Robin, nahm eine Fleischpastete aus der Tüte und begann zu essen. Der Mann im Humvee hupte laut und lange, doch der Mann mit der Pastete aß ungerührt weiter. Ganz langsam begann der Humvee rückwärts zu fahren, bis seine Stoßstange die Tür des Robin berührte. Klonk! Der Kleinwagen wackelte sichtlich. Inzwischen hatten sich ein paar Leute auf dem Bürgersteig versammelt. Ich erkannte die zwei dicken Damen aus dem Rabattgedränge, die Kekse aus einer Tüte aßen. Der Verkäufer der Obdachlosenzeitung hatte seinen Posten vor dem Eingang verlassen, ebenso ein Mädchen, das Flugblätter verteilt hatte, als ich gekommen war. Alle schrien den Fahrer an, er solle anhalten. Der Mann mit der Fleischpastete ließ sich nicht stören und genoss jeden Bissen.
    Plötzlich legte der Humvee-Fahrer den Vorwärtsgang ein, riss das Lenkrad bis zum Anschlag herum und begann seine Chromstoßstange Zentimeter für Zentimeter auf mich und Mrs. Shapiros Kinderwagen zuzubewegen. Etwas an seinem verbissenen Kiefer und dem starr nach vorn gerichteten Blick, mit dem er mich ignorierte, brachte mich zum Kochen. Herausfordernd stellte ich mich vor den Kinderwagen und hielt ihn fest, meine Einkaufstüten zwischen den Füßen. Ich hatte diesen Streit nicht angezettelt, doch ich war bereit, zur Märtyrerin zu werden. Der Fahrer hupte und kam immer näher. Er wollte mit seiner Monsterstoßstange den Kinderwagen einfach zur Seite rempeln!
    Da kam Mrs. Shapiro strahlend aus dem Supermarkt zurück. Sie hielt den Apfel hoch, der jetzt einen Rabattauf kleber trug.
    »Sie haben mir fünf Pence Nachlass gegeben!«
    Unter dem Verdeck des Kinderwagens holte sie ein Päckchen Zigaretten und eine Streichholzschachtel hervor, bot mir eine an - ich lehnte ab - und zündete sich eine Zigarette an.
    »Danke, Georgine, dass Sie gewartet haben.« Sie deutete mit dem Kopf auf den Zeitungsverkäufer und das Mädchen mit den Flugblättern und flüsterte laut genug, dass sie es hören konnten:
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