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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben
Autoren: Marina Lewycka
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kriegen.
     
    Er: (Mit ausgestreckten Beinen auf den Stuhl gefläzt, als würde ihm alles hier gehören.) Hallo, Georgie. Ich habe deine Nachricht bekommen. Ich bin hier, um meine Sachen zu retten. Ich: (Hilfe! Was habe ich getan.) Da bist du zu spät dran. Heute Morgen haben sie den Container abgeholt.
    Er: (Mit aufgerissenen, blinzelnden Augen, ein Mund wie ein kleines o, das mich an einen Karpfen erinnert.) Du machst Witze. (Ja, an einen Karpfen, und nicht an jemanden, der die Zukunft gestaltet. Haha!)
    Ich: Warum sollte ich Witze machen? (Sein Haar scheint auch ein bisschen gelichtet. Gut. Er sieht wirklich nicht so toll aus, wie er sich einbildet.) Er: (Ungläubig.) Sie haben meine Platten abgeholt? Meine großen russischen Komponisten?
    Ich: (Kleines spöttisches Lächeln.) Mhm.
    Er: (Noch ungläubiger.) Und meine alten Rugby-Stiefel?
    Ich: Den ganzen Müll. (Wie kann ein Mann, der ohne mit der Wimper zu zucken seine loyale, hingebungsvolle Ehefrau sitzen lässt, wegen eines Paars schimmliger alter Turnschuhe feuchte Augen bekommen?)
    Er: (Resignierter Seufzer.) Warum bist du nur so kindisch, Georgie?
     
    Kindisch? Ich? Ich griff nach einem Teller Nudeln. Wieder spürte ich das Zucken in der Hand. Pete grinste verlegen vor sich hin und versuchte sein Gesicht hinter dem
Guardian
zu verstecken. Dann sah ich Bens ängstlichen Blick - armer Ben, er sollte es nicht mit ansehen müssen, wenn sich seine Eltern danebenbenahmen. Ich stellte den Teller wieder auf den Tisch, stürmte aus dem Zimmer und rannte die Treppe hinauf; dann warf ich mich aufs Bett und blinzelte die Tränen weg. Ich überlebe. Ich bin stark. Ich tausche die Schlösser aus. Schau dir Gloria Gaynor an - sie hat aus ihrem gebrochenen Herzen ein Lied gemacht und Millionen gescheffelt. Als ich da lag, den Stimmen unten lauschte und wünschte, ich hätte die Nerven behalten, kam mir plötzlich ein reizvoller Gedanke. Ich konnte nicht singen, aber ich konnte schreiben.
    Tatsächlich war ich schon fast so weit. Ich hatte einen Arbeitstitel und einen tollen Künstlernamen. Mir ging ein verführerisches Bild durch den Kopf - ich als gedruckte Autorin, in modisch zerknittertem Leinen und mit einer schicken Ledertasche voller Druckfahnen, die ich lässig über der Schulter trug, während ich mit einer Entourage von hübschen jungen Dichtern um den Globus jettete. Rip würde der Welt als egozentrischer Workaholic präsentiert, erbärmlich ausgestattet, mit einer unstillbaren Viagra-Sucht und Schuppen. Seine Frau wäre wunderschön und leidgeprüft und hätte einen fantastischen Hintern.
    »Forget! Survive!«,
sang Gloria Gaynors Stimme in meinem Kopf. »
You
'll
waste too many nights thinking how he did you wrong.
Change the locks! Grow strong!« Du grübelst zu viele Nächte lang, was er dir angetan hat. Tausch die Schlösser aus! Sei stark!
    Und natürlich hatte Gloria eigentlich recht. Meine bisherigen Roman-Versuche, zwölf einhalb vollgeschriebene Hefte, hatte ich in einer Schublade verstaut, zusammen mit einer Mappe voll hochnäsiger Ablehnungsschreiben.
     
    Sehr geehrte Ms. Firestorm,
    besten Dank für die Zusendung Ihres Manuskripts
Das verspritzte Herz.
Ihr Text bietet farbenfrohe Charaktere und eine beeindruckende Menge an Adjektiven, aber ich bedaure Ihnen sagen zu müssen, dass es uns nicht ganz überzeugt hat...
     
    So etwas war schlecht für den Kampfgeist, und mein Kampfgeist war ohnehin schon schwach. Aber es nutzte nichts - der Same des Optimismus keimte in meinem Herzen, und in meinem Kopf begannen bereits die ersten Zeilen zu sprießen. Ein leeres Heft hatte ich noch übrig.
     
    Das verspritzte Herz Kapitel 1
     
    Es war nach Mitternacht, als Rick sich erschöpft
auf
seinen breiten,
muskulösen
dicklichen Rücken wälzte und sich
mit kräftigen Fingern
mit den Fingern mit abgekauten Nägeln durch das dichte, lockige,
naturblonde
diskret gefärbte Haar fuhr.
     
    Na gut, ich weiß, ich bin nicht Jane Austen. Und vielleicht hatte Ms. Nicht-ganz-überzeugt recht mit den Adjektiven. Ich starrte die Seite an. Hatte ich jetzt schon eine Schreibblockade? Unten im Flur hörte ich Stimmen. Die Haustür fiel ins Schloss. Dann ging die Schlafzimmertür einen Spalt auf. »Alles in Ordnung, Mum? Willst du nichts zu Abend essen?«
     

3 - Haltbarkeit
    Nachdem Rip in die Mansardenwohnung bei Pete dem Muskelpaket gezogen war, einigten wir uns darauf, dass Ben abwechselnd eine halbe Woche bei ihm und eine halbe Woche bei mir wohnen würde. Eines Morgens
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