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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman
Autoren: Sophie Benning
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Bei Ihrer tollen Figur könnte man glauben, dass Sie eine Diät nach der anderen machen.«
    »Oh nein«, sagte ich lachend. »Diäten sind mir ein Graus. Und wenn, dann mache ich höchstens mal eine Tofu-Diät.«
    »Tofu-Diät?« Große fragende Augen.
    Ich lehnte mich verschwörerisch zu ihm vor. »Da darf man alles essen, nur keinen Tofu. Und den mag ich sowieso nicht.«
    »So was«, sagte Daniel. »Ich liebe Tofu-Gulasch.«
    Oje. Ich beschloss, lieber das Thema zu wechseln. »Möchten Sie vielleicht ein Glas Wein?«
    Fehlanzeige.
    »Danke, ich trinke keinen Alkohol«, sagte er höflich. »Sonst bekomme ich eine Azidose.«
    »Eine was?«
    »Eine Übersäuerung«, klärte Daniel mich auf. »Dabei werden sogenannte saure Stoffwechselschlacken im Bindegewebe eingelagert und ich fühle mich sofort müde und energielos.«
    Meine blühende Fantasie war leider auch jetzt sofort zur Stelle und ich sah ihn, hingestreckt mit ausbeulenden Einlagerungen, auf der Couch liegen. Kein schönes Bild.
    »Ganz abgesehen von anderen Befindlichkeitsstörungen, die sich dann bemerkbar machen.«
    »Verstehe«, sagte ich und nahm einen kräftigen Schluck Riesling. Falls die Befindlichkeitsstörungen auf mich übergreifen sollten, wollte ich diese Erfahrung nur mit einem gewissen Alkoholspiegel im Blut machen.
    Zum Glück musste ich das Thema nicht weiter erörtern, denn mein Vater richtete das Wort an mich. »Was macht dein Umzug, Charlotte? Alle Kisten gepackt?«
    »Fast. Ich hoffe, dass ich morgen die ersten Sachen in die neue Wohnung bringen kann.«
    »Apropos«, sagte meine Mutter, während sie Elfriede das Zeichen zum Abräumen gab, »die Schneiderin hat sich nach den Maßen für die Vorhänge erkundigt. Können wir das am Samstag erledigen?«
    Ich hatte meiner Mutter wiederholt erklärt, dass ich die Gardinen bei IKEA besorgen wollte, aber die bloße Erwähnung dieses Möbelhauses löste Migräne bei ihr aus. Daher nickte ich lediglich.
    »Und sie hat mir ein Buch mitgegeben, das du ihr mal geliehen hast. Midget Bones oder so ähnlich.«
    »Bridget Jones.«
    »Wie auch immer«, nörgelte meine Mutter. »Es liegt bei der Garderobe und scheint der letzte Schund zu sein.«
    »Und wenn schon, es ist immerhin Kult -Schund«, verteidigte ich das Werk Helen Fieldings.
    Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich persönlich verstehe nicht, wie man so was lesen kann, aber diese inhaltslose Lektüre scheint immer mehr Leser zu finden. Sogar beim Arzt liegen kaum noch niveauvolle Zeitschriften aus. Nur diese Frauenzeitschriften mit irgendwelchen Lebensbeichten, Kochrezepten und Promigeschichten. Unmöglich!«
    »Lesen Sie manchmal auch Schund?«, fragte ich Daniel W, der unsere Diskussion verfolgt hatte. »Einfach so, zum Entspannen?«
    Er sah mich an, als hätte ich ihn nach seiner bevorzugten Selbstbefriedigungstechnik gefragt. »Nein, äh, eher nicht.«
    »Dann sehen sie auch keine Schnulzenfilme?«
    Wieder ein Blick, aus dem ich schließen konnte, dass er nicht wusste, wovon die Rede war. Bei Schlaflos in Seattle dachte er zweifellos an eine Studie über Schlafstörungen in amerikanischen Metropolen. Und bei Vier Hochzeiten und ein Todesfall an einen juristischen Kommentar über das deutsche Erbrecht.
    Die Fragerei begann mir Spaß zu machen und ich wollte sie schon fortsetzen, aber mein Tischnachbar war mit seiner Aufmerksamkeit ganz bei Elfriede, die den Hauptgang auf den Tisch stellte: Lammbraten mit grünen Bohnen und Gnocchi. Dabei machte er ein Gesicht, als hätte sie platt gefahrene Frösche am Spieß hereingebracht.
    Und genauso ließ er es sich schmecken: Im Zeitlupentempo schnitt er winzige Bratenstückchen ab, die er sich mit Todesverachtung in den Mund schob.
    »Köstlich, nicht?«, fragte ich.
    Er nickte, aber sein Gesichtsausdruck strafte ihn Lügen und ich war gespannt, was diesmal der Grund sein würde.
    »Ich esse am Abend prinzipiell nicht viel.«
    Ach.
    Mal ganz ehrlich: Die Fassade dieses Mannes war überaus sehenswert, der Rest würde aber niemals durch den TÜV kommen. Ob er schon mal von seiner Krankenkasse zum Patienten des Monats gewählt worden war?
    »Und wenn, nur ungern eiweißhaltige und kohlenhydrathaltige Lebensmittel in einer Mahlzeit.«
    Soso.
    Während ich den umständlichen Erklärungen zu Daniels Trennkost-Darm lauschte, überlegte ich, dass er der perfekte Held in einer Tragödie wäre: »Lost in Azidose«. Ob man mit so einem Titel auf die Bestsellerliste kam? Warum hatte ich noch nie ernsthafte
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