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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman
Autoren: Sophie Benning
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gelesen.«
    »Genau da liegt das Problem!«
    »Bei deiner Gesundheit?«
    »Nein, bei seiner! Der Typ ist echt schnuckelig und ich hatte schon total weiche Knie bei dem Gedanken, mich von ihm ins Bett zerren zu lassen. Aber im Laufe des Abends hat sich herausgestellt, dass es kaum Nahrungsmittel gibt, die er verträgt, und ich bin kurz davor, ihm eine Magensonde zu schenken. Hattest du zum Beispiel schon mal eine Azidose?«
    »Eine was?«
    »Irgendwas mit sauren Stoffwechselschlacken im Bindegewebe«, sagte ich angewidert. »So was hat der. Und noch ganz andere Sachen. Und wenn er Salamipizza isst ...«
    »Oje, das klingt schrecklich! Lass bloß die Finger von dem Typ«, unterbrach Luise mich. »Da war Julian ja noch Gold dagegen!«
    Ich schloss die Augen und dachte kurz an meinen Verflossenen. »Der war auch ein Reinfall«, seufzte ich. »Aber wenigstens wusste er gutes Essen zu schätzen.« Ich überlegte. »Wie wäre es, wenn wir uns morgen Abend treffen, du, ich und Marie. Dann besprechen wir alles in Ruhe bei Pasta und Wein?«
    »Au ja«, sagte Luise und kicherte. »Sextechnisch bringt mich das zwar auch nicht weiter, aber ein Weiberabend tut gut.«
    Wieder erklang Gemurmel im Hintergrund.
    »Bedeutsames Geschehen mit acht Buchstaben, fünfter Buchstabe ein G?«
    »Ereignis.«
    Wieder ein glücklicher Aufschrei.
    »Woher kennst du dich mit dem Kram so gut aus?«, staunte Luise. »Jahrelanges Training mit meiner Oma.«
    Als ich an den Tisch zurückkehrte, war meine Mutter dank des Anrufs bei einem ihrer Lieblingsthemen angelangt: die Abkürzung von Vornamen.
    »Es geht mir einfach nicht in den Kopf, warum du deinen schönen Namen so verballhornst«, sagte sie. »Wenn du dich mit Charli meldest, glaubt jeder, du seist ein Mann! Deine Schwester kürzt ihren Namen doch auch nicht ab, oder?«
    Nein, meine ältere Schwester Theresa machte wirklich alles, alles richtig. Sie hatte Jura studiert, einen erfolgreichen Anwalt geheiratet, das erste Enkelkind in die Welt gesetzt und benahm sich auch sonst in allen Lebenslagen korrekt.
    »Da bin ich vollkommen Ihrer Meinung«, mischte sich mein Kollege in spe ein. »Ich habe mich bereits als Kind gegen die Abkürzung Dani gewehrt. Und Charlotte ist so ein schöner Name. Da brauchen Sie sich wirklich nicht zu schämen!« Dabei feuerte er ein frisches Zahnpastalächeln auf mich ab.
    Nun hatte er bei meiner Mutter einen dicken Stein im Brett. Und bei mir endgültig verkackt.
    »Jeder sollte selbst bestimmen, wie er genannt werden möchte«, sagte ich, während ich ein letztes Stückchen Camembert aufspießte. »Abgesehen davon hatte Theresa eine Zeit, in der sie unbedingt Tess genannt werden wollte.«
    »Das war lediglich eine kurze Pubertätsphase«, brummte meine Mutter, die sich nur ungern eines Besseren belehren ließ. »Wie auch immer. Namen wie Andi, Charli, Billie oder wie sie sich alle nennen mögen, finde ich scheußlich.«
    Sie riss sich zusammen. »So. Wie wäre es zum Abschluss mit einem kleinen Nachtisch?«
    Ich liebte Süßigkeiten. Aber jetzt wollte ich nur noch weg. Weitere fünf Minuten neben diesem Kranken und mir würde das Messer ausrutschen. Und Daniel müsste womöglich qualvoll an den Folgen einer Besteckunverträglichkeit sterben.
    Aber wie konnte ich mich höflich aus der Affäre ziehen? Ich grübelte. Sollte ich eine Azidose vortäuschen? Nein, der Experte neben mir würde sofort merken, dass ich simulierte. Salamipizzaallergie? Schwierig, wenn man keine gegessen hat. Ich überlegte und überlegte, aber irgendwie hatte meine Kreativität Grenzen und mir fiel beim besten Willen nichts ein.
    »Sag mal, Charlotte, hast du inzwischen alles mit deiner Nachmieterin geregelt?«, fragte mein Vater plötzlich.
    Die Nachmieterin. DIE NACHMIETERIN!
    »Oh nein!« Ich sah hektisch auf meine Uhr. Fast neun. »Das habe ich völlig vergessen!«
    »Wie? Du hast noch keine Nachmieterin?« Mein Vater sah mich an, als würde er ernsthaft an meinem Verstand zweifeln.
    »Schlimmer!« Ich stand hektisch auf und schnappte meine Handtasche. »Sie wollte um halb zehn vorbeikommen und noch etwas mit mir besprechen.«
    »Um halb zehn?« Meine Mutter sah mich über den Rand ihrer Brille an. »Wieso denn so spät?«
    Gute Frage. Es war schon fast dunkel und ich starrte in den Garten, als hinge die Antwort dort im Baum.
    »Die Lichtverhältnisse«, sagte ich. »Sie wollte sich die Wohnung unbedingt am Abend noch mal ansehen, damit sie sich überlegen kann, wie sie die Bilder
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