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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
Autoren: Anna Kendall
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besser. Wenn man einen vernichteten Rivalen hinrichtete, hätte man zugegeben, dass der Rivale nicht ganz vernichtet war. Es war ein Eingeständnis von Schwäche. Oder vielleicht war Tarek raffinierter gewesen: Er hatte mich mitgenommen, damit ich ihm beibrachte, eine Armee aus dem Hexenland zu holen. Tarek wollte Lord Robert lebend haben, damit er gegen diese Armee unter dem Befehl der Wilden antrat, wie Tareks Vater einst gegen die Armee der Toten angetreten war, die gegen ihn gekämpft hatte. Oder vielleicht hatte der Junghäuptling einen anderen Grund, dass er Lord Robert verschont hatte, den ich überhaupt nicht verstand. Ich war nur ein Hisaf. Vielleicht hatte Lord Robert sich auch seinen Weg aus dem Kerker mit dem Messer freigekämpft, das ich ihm dortgelassen hatte, gestohlen aus dem Land der Toten. Mein Verstand versteifte sich auf diesen Gedanken. Ich wollte unbedingt jemandem etwas Gutes getan haben, irgendwo.
    Meine Schwester …
    »Die Armee seiner Lordschaft zieht aus, um die Prinzessin zu retten«, sagte Mutter Chilton. »Sie werden erfreut sein, nicht weiter als bis hierher reisen und Tareks Streitkräfte nicht angreifen zu müssen. Sie werden Stephanie mit zurücknehmen, damit sie ihre Herrschaft unter dem Schutz von Lord Robert wieder antritt. Ich werde mit Stephanie gehen, als ihre Amme, weil sie darauf besteht. Und der junge Jee wird auch mitgehen. Sie wird einen Pagen aus ihm machen.«
    »Das wird Lord Robert nicht gestatten«, wandte ich ein, aus purer Missgunst. Mutter Chilton verfügte über jeden, als wären es Teller auf ihrem Küchenregal: dieser hier, jener dort. »Pagen sind von edler Geburt.«
    »Dennoch wird Jee ein Page sein.«
    »Er wird es hassen.«
    »Wird er nicht. Dadurch wird er Stephanie dienen können und an ihrer Seite bleiben.«
    »Dann könnt Ihr in die Zukunft sehen?«, fragte ich sarkastisch. »Ich nehme an, dass sie ihn eines Tages zum Gemahl erwählen wird?«
    »Niemand kann in die Zukunft sehen. Ich sage dir, was morgen geschehen wird, und das ist nur die Entfaltung der heutigen Ereignisse, und selbst dann gibt es keine Gewissheit, bis es geschieht. Sei nicht kindisch, Roger.«
    »Ich bin kein Kind.«
    »Nein«, sagte sie, und ich hörte Verzweiflung in ihrer Stimme, »das bist du nicht. Aber du darfst nicht hier sein, wenn Lord Roberts Armee eintrifft. Sie werden es dir nicht danken, dass du Stephanie gerettet hast, nicht, wenn sie erfahren, wie du es erreicht hast.«
    Hexenkunst. Das meinte Mutter Chilton. Sie hatte recht, aber dennoch taten ihre Worte weh. »Und wollt Ihr dann Lord Robert sagen, dass die Prinzessin, eine Greisin, zwei kranke Frauen und ein Zehnjähriger einfach so aus Tareks Lager und im Winter über die Berge spaziert sind?«
    »Was ich Lord Robert erzähle, ist für dich nicht mehr von Belang. Du musst mich hier verlassen, Roger, zu deiner eigenen Sicherheit und zu unserer. Du musst jetzt gehen. Ich werde mich um die anderen kümmern.«
    Ich wollte gehen, und nun, da ich die Sorge um Jee und Stephanie Mutter Chilton überlassen konnte, stieg Erleichterung wie eine große Welle in mir auf, die von meinen Eingeweiden in den Magen bis ins Herz anschwoll. Ich war frei, zu Maggie zu gehen.
    »Aber ehe du gehst, muss ich dir drei Dinge geben«, sagte Mutter Chilton, und die Verzweiflung stand wieder in ihrem Gesicht.
    Ich verstand diese Verzweiflung nicht. Ich wollte sie auch nicht verstehen. Mein eigenes wundes Herz war genug für mich.
    Mutter Chilton fuhr fort: »Eines, was ich dir gebe, ist etwas Stoffliches, die beiden anderen Dinge sind Wissen. Zuerst das.« Sie reichte mir den weißen Fellumhang.
    Ich blickte zum Feuer. Stephanie und die beiden Frauen lagen schlafend und ohne Decke auf dem Lederumhang, die Wärme der Flammen tanzte auf ihren Gesichtern. Jee kauerte daneben, ebenfalls vom Feuer gewärmt. Und in ein paar Stunden würde Lord Robert eintreffen.
    »Der Umhang hat eine Tasche«, sagte Mutter Chilton, »mit Toms Messern und etwas Geld. Nimm den Wasserschlauch, und nachdem ich Lord Robert gesagt habe, dass du tot bist, denke ich, dass du unbesorgt durch das Königinnenreich reisen kannst, vorausgesetzt, du begibst dich nicht zu nahe an die Hauptstadt.«
    »Danke. Was sind die beiden anderen Dinge, das Wissen, das Ihr mir geben wollt?«
    »Das erste ist Folgendes, und du musst gut zuhören, Roger Kilbourne: Wenn Macht über die Fäden des Netzes des Seins fließt, wenn es einen unnatürlichen Fluss vom Tod zurück ins Leben gibt, muss es
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