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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
Autoren: Anna Kendall
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hoher Geschwindigkeit herabstürzten. Einen Augenblick dachte ich, sie würden Umhänge tragen, aber es waren Vögel. Riesige schwarze Vögel, die sich durch den wehenden Schnee wie Raubtiere auf ihre Beute stürzten. Aber Adler und Habichte und sogar Eulen stürzten sich mit ausgefahrenen Klauen herab, und diese riesigen Vögel reckten den Schnabel nach vorn. Jeder zielte auf einen Hisaf, genau auf deren Kopf.
    Ich wurde weggeschubst, als mein Hisaf sein Messer hob, der andere sein Gewehr. Keiner war schnell genug. Die Schnäbel der Vögel trafen die Schädel der Männer. Dann streckten sie die Klauen aus, krallten sich an den Schultern der Männer fest, während die Schnäbel nach schreienden Gesichtern hackten, wieder und wieder und wieder. Schreie, Schmerzensgeheul. Ein Schnabel drang in ein Auge ein, und das hervorsprudelnde Blut färbte den weißen Boden rot.
    Ich machte einen Schritt nach vorne, war zu angeekelt und fasziniert, um mir bewusst zu machen, was ich tat. Tom kam wankend auf die Beine. Ein paar Augenblicke später war es vorbei. Ein Hisaf war von Toms Messer getötet worden, die anderen von den monströsen Vögeln, die plötzlich verschwanden und als zwei keuchende Frauen auf dem Schnee zurückblieben. Eine war die Frau, die ich als weißes Reh gesehen und die uns mit Nahrung versorgt hatte, die andere war Alysse.
    Ich hatte keine Zeit für Toms erkennendes Aufkeuchen. Drei Hisafs hatten meine Schwester im Land der Toten begleitet, und alle drei lagen tot zu meinen Füßen. Meine Schwester war allein. Nur ich konnte den Pfad der Seelen betreten und sie davon abhalten, es wieder zu tun: weitere Hisafs zu rekrutieren, mich und Stephanie und jeden sonst mit einem wilden Talent aufzuspüren und uns durch das Land der Toten Mörder in körperlicher Form auf den Hals zu hetzen. Nur ich.
    Mit größerem Zorn erfüllt, als ich es je für möglich gehalten hätte, und nicht ganz bei Sinnen betrat ich den Pfad der Seelen.

51
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Meine Schwester stand am Rande des Kiefernhains, nicht mehr als zwanzig Fuß von dem Punkt entfernt, an dem ich erschienen war. Nebel wirbelte um sie herum. Durch den dunklen Dunst starrten wir uns an, und zum ersten Mal war ihr Name in meinem Kopf. Der Name meiner Mutter.
    Ich rief: »Katharine!«
    Ihre Augen wurden groß. Sie mochte wahnsinnig sein und erfüllt von Zorn– »Sie ist zornig auf Roger, weil er lebt«, hatte Stephanie gesagt–, aber sie hatte genug Verstand, um einen Zorn zu erkennen, der sogar noch größer war als ihrer. Sie hatte keinen Schutz, und ich hatte letztlich keine Angst mehr. Sie wandte sich um und rannte unter die Bäume.
    Ich stürmte ihr nach. Der dunkle Nebel stieg um mich herum auf, wurde dichter, bis ich nichts mehr sehen konnte. Aber ich konnte hören, und ich folgte dem Geräusch der brechenden Zweige und dem Trampeln durch das Unterholz. Sie hatte einen festen, lebenden Körper genau wie ich, und wie ich stolperte sie durch den Nebel.
    »Katharine!«
    Dann spürte ich sie in meinem Verstand, ein lautes Kreischen, das immer schriller wurde. Beinahe hörte ich auf, sie zu verfolgen– alles nur um diesen monströsen Lärm in meinem Gehirn loszuwerden. Das schreckliche Kreischen machte es mir schwerer zu hören, wohin sie lief, genauso wie der sich verdunkelnde Nebel es unmöglich machte, sie zu sehen. Daher war es pures Glück, dass der Stumpf meines Handgelenks ihren Körper streifte, und ich griff wild mit meiner anderen Hand nach ihr. Ich hatte sie.
    »Nein! Nein! Nein!«
    Es war der Schrei eines entsetzten kleinen Mädchens, und der Körper, der sich gegen meinen zur Wehr setzte, war schlank und leicht– »tot seit elf Jahren« –, der Körper eines Kindes. Aber sie hatte schon getötet wie der rücksichtsloseste Soldat und war nicht das, was sie zu sein schien. Keine ihrer Taten war kindlich gewesen. Verzweifelt rief ich mir diese Taten ins Gedächtnis, damit mein Zorn heiß genug blieb, um zu tun, was ich tun musste.
    Lady Margaret, im Schlaf ermordet.
    Stephanies Amme, ermordet.
    Mein Vater, irgendwo gefangen.
    Fia, die in meinen Armen auf groteske Weise zerfiel und schmolz.
    »Stirb stirb stirb …«
    »Nein!«, schluchzte Katharine. »Roger, nein!«
    Ich warf sie mir über die Schulter und trug sie durch den Hain, zurück auf den Hügel, wo Tom und ich sie hatten auftauchen sehen. Sobald
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