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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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Elend vom Herzen zu reden, und trug es deswegen wahrscheinlich noch schwerer. Hatte ihr Lebtag nicht überflüssige Worte gemacht und oft keine Rede gefunden, wenn sie eine gebraucht hätte. Eine Arbeiterin, eine brave und gute, war sie dem Hof gewesen, solange er und soweit er in seine Kinderzeit zurückdenken konnte. Eine Schweigsame, der man Freud und Leid nur vom Gesicht ablesen konnte. Die Mutter konnte einem erbarmen.
    War er nicht ihr Bub? Und war er nicht schon alt genug, um auch einmal etwas mitzureden? So konnte es jedenfalls nicht weitergehen, und er mußte mit dem Vater einmal ein Wort reden. Wenn es auch ein hartes Wort sein mußte und der dickköpfige und eigenstolze Mann noch so grob würde.
    Er krempelte die Hemdsärmeln auf, stand breitbeinig inmitten der Stube und reckte sich. Lange hatte er zugesehen, viel zu lange. Jetzt mußte einmal deutlich die Sache ausgeredet oder notfalls ausgestritten werden – im eigenen Haus.
    Und wenn jetzt der Ranklbauer durch die Türe gegangen wäre, dann hätte es ihn ankommen müssen, als erwarte ihn sein eigener Bub zu einem Geraufe. Der Franz ging nun vor das Haus und wusch sich am Brunnen. Das eiskalte Wasser machte ihn frisch und munter, und damit begann für ihn wieder der Bauerntag, der weniger Zeit ließ zum Nachdenken, als die langen Nächte es taten. Als er wieder ins Haus trat, hatte die Dirn die Milchsuppe schon auf den Tisch gestellt.
    »Da ist ja heut schon eine warme Stub«, meinte die Kathl.
    »Ja, die Mutter hat sich grad erst hingelegt. War die ganze Nacht wach.«
    »Ist der Bauer da?«
    »Nein! Und was ich sagen wollt: es geht die Leut von Hintereben und vom Dorf nichts an, was bei uns im Haus los ist. Das wollt ich dir schon lange einmal gesagt haben, und jetzt paßt es grad.«
    Wie scharf und verbissen er schauen konnte; grad wie der Alte!
    »Geht mich nichts an, was auf dem Hof und in der Familie ist, und wenn das noch lang dauert, dann bin ich sowieso nimmer lange da.«
    »Wenn was noch andauert?«
    »Daß der Bauer von Tag zu Tag saugrober wird und überhaupt kein gutes Wort mehr findet für einen Dienstboten.«
    Der Franz murrte etwas Unverständliches, schob die leere Schüssel zurück, legte den Löffel hin und erhob sich. »Brauchst mich beim Füttern?«
    »Werd leicht allein fertig.«
    »Dann laß die Mutter schlafen. Ich spann gleich ein und fahr in die Mühl. Das hat der Vater gestern schon angeschafft.« Er schloff in die dicke Winterjoppe und zog die gestrickte Haube über die Ohren.
    Mit den schweren Stiefeln trat er leise auf, bis er aus dem Haus war. Allein zog er den leichten Leiterwagen aus dem Stadel und lud zwei Kornsäcke auf. Als er die Pferde vorspannte, heulte der Hund in der Hütte auf und winselte.
    »Kusch, Harro!«
    Dann saß er auf und ließ die Gäule gehen. Zwei Finger hoch mochte es geschneit haben in der Nacht, und den neuen Tag blies schon wieder ein kalter Wind ein, säuberte den heller werdenden Himmel und baute im Osten ein hohes und bauschiges Gewölk auf, das sich im roten Frühschein badete.
    Ist aber schnell Winter geworden, sinnierte der junge Ranklbauer vor sich hin. Wenn er noch einen Tag gewartet hätte mit dem Mühlfahren, dann wäre vielleicht der Schlitten schon gegangen. Aber was getan ist, ist getan, und morgen könnte leicht eine andere wichtige Arbeit anfallen. Der Schnee war weich und flaumig und ballte sich an den Rädern. Der Wagen hinterließ auf dem Wege eine dunkle Spur. Am Hang entlang führte durch die ganze Länge des Tales ein Feldsträßlein, das die Zuwege von den Höfen aufnahm und zum Bach und ins Dorf hinunterführte. Als der Franz in das Sträßlein einbog, traf er mit einer schnell ausschreitenden jungen Frau zusammen, die den Zuweg vom Schwaigerhof heruntergekommen war. Einen dunklen Wollschal hatte sie um Kopf und Schultern geschlungen, und die Hände steckten in den Taschen einer Schafpelzjacke.
    Das war doch die Barbara? Was tat die heute schon so früh auf dem Weg? Diese Begegnung war ihm zuwider. Seit die Alten der beiden Höfe sich verfeindet hatten und seit der Prozeß diese Feindschaft immer tiefer grub, wichen auch die jungen Nachbarsleute sich aus. Und sie waren sich dabei immer fremder geworden, obwohl sie mit dem ganzen Streit nichts zu tun haben wollten. Aber wenn die Hofbauern sich gegenseitig böse anlauerten, wenn die Väter Krieg führten, dann brachte das eben auch die Kinder auseinander.
    Sie überholte mit raschen Schritten das langsam gehende Gespann. Dabei
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