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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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nachgekommen und an der Leiche ihres Vaters zusammengebrochen war.
    Und ich sage euch: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Das Schicksal, das für uns unerforschlich ist, hat hart zugeschlagen. Der Haß hat Familien unglücklich gemacht und Leben zerstört, weil jede Untat wieder Unheil zum Gefolge hat. Der Haß hat schon immer die Menschen in die Irre geleitet, und ihm folgt immer der Jammer und die Trauer. Es ist nicht an uns armen und unverständigen Menschen, zu rechten und zu richten: das ist des Herrgotts Sache, und der ewige Richter wird wägen und messen nach Gebühr, denn nur er sieht in die Herzen der Menschen, und nur er kann vergeben und verzeihen.
    Dem Pfarrer brach die Stimme.
    Ein ganzes Menschenalter fast bin ich nun schon euer Seelenhirte gewesen und hab viele getauft und viele eingesegnet in den ewigen Frieden. Nie aber hab ich soviel Unglück und Leid erlebt in dieser Christengemeinde wie in diesen Tagen. Hilflos stehen wir Menschen davor und wissen uns keinen Rat mehr. Betet mit mir, daß unsere Verstorbenen Ruhe und Frieden finden mögen im Grabe und in der Ewigkeit, und betet, daß eure Familien und Häuser verschont bleiben wollen vor solcher Heimsuchung, wie sie zwei alte Geschlechter in Hintereben getroffen hat. An die Toten wollen wir denken in Frieden und Liebe, denn – und ich schließe wieder mit den Worten der Heiligen Schrift: Wir wollen nicht richten, weil auch wir nur Menschen sind. Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Amen!
    Über das Tal zogen die schweren Wolken eines Sommerregens und verhüllten die Sonne. Trübe sangen die Glocken über den Friedhof hin, an dem die Dorfleute stumm und bedrückt an zwei offenen Gräbern standen.
    Der Geistliche betete das Vaterunser, und wie ein dumpfes Grollen rollte das Beten der Trauergemeinde. In seinen Augen standen Tränen, als er die Gräber segnete und gebeugt die Stätte der Toten verließ.
    Ein stilles Totenamt beschloß die Beerdigung der beiden Bauern, und nach dessen Ende strebten die Leute eilig ihren Häusern zu. Niemand fragte nach dem üblichen Leichenmahl.
    Vor der Dorfkirche trafen sich die Ranklhoferischen und die Leute vom Schwaigerhof. Stumm und ernst reichte der junge Ranklhofer der bleichen Barbara vom Schwaigerhof die Hand, und auch die alte Ranklin tat desgleichen.
    »Wir wollen keine Feindschaft haben, Bärbel«, sagte sie. Aus dem Gesicht der Bäuerin war alle Härte verschwunden. Diese Tage hatten sie gebeugt und die Falten in ihrem Gesicht tiefer gegraben.
    Viele Jahre sind seither vergangen, aber in Hintereben hat man das tragische Geschehen aus der Zeit, als die neue Straße hinüber ins Zellertal gebaut wurde, nicht vergessen. Alljährlich am Pfingstmontag wallfahrtet die Gemeinde in feierlicher Bittprozession hinauf zu dem Kreuz auf dem Stein im Acker.
    Die Zeit ist weitergegangen und auch das Leben. Drunten im Friedhof ruht nun auch die Ranklhoferin, und auch der alte Pfarrer Kienleithner ist nicht mehr. Auf dem Schwaigerhof wirtschaftet der Ranklhofer. Er hat ihn von der Barbara in Pacht genommen und will ihn einmal ganzerwerben für seinen Buben, den die Agatha ihm geschenkt hat. In einem Krankenhaus im Bayerischen Wald wirkt still und bescheiden, geliebt und geschätzt von den Hilfsbedürftigen und den Mitschwestern, die Krankenschwester Barbara, und alljährlich kommt sie für ein paar Tage nach Hintereben, um hinaufzuwandern zum Kreuzstein der Schwaiger.
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