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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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Dann ging ihr Weg ja doch wieder ins Vaterhaus zurück.
    Daß sie dorthin gehörte, wußte sie jetzt.
    In Hintereben rasselten die Greiferketten der Bagger, und die eisernen Mäuler rissen Wurzelwerk und Erdreich aus dem Boden, der seit Jahrtausenden in Ruhe gelegen hatte. Die Pickel klangen auf dem Gestein, und die Steinbohrer ratterten. Am Abend schütterten schwere Sprengschüsse durch das Tal.
    Blaues, eisenhartes Urgestein wollte den Arbeitern den Zugang zu den Hochäckern unterm Nothackerwald verwehren. Hacke und Säge hatten schon über die Hochäcker hinaus den Wald gelichtet bis zur Paßhöhe.
    Schon ehvor die Arbeiter jeweils morgens an der Baustelle die Arbeit begannen, saß dort auf einem Stein oder Wurzelstück bereits der alte Hetscher, fröstelnd und zusammengekauert. Er wich nicht, bis die Nacht kam oder der Sprengmeister ihn wegen der Sprengungen wegweisen mußte. Kaum bewegte er sich aus seinem Sitz, nur seine Augen folgten aufmerksam dem Geschehen. Die Arbeiter hatten sich bald an die Anwesenheit des schrulligen Alten gewöhnt und störten ihn nicht. Mit einem dankbaren Knurren nahm er von ihnen entgegen, was sie ihm von ihrer Brotzeit abließen. Nur ganz selten lachte er freundlich und ungeschickt, wenn der Ingenieur ihn ansprach, und sagte nur kichernd:
    »Wird der Ranklhofer bald kommen! Wart auf den alten Ranklhofer!«
    Auch der Schwaiger fehlte nunmehr keinen Tag auf der Baustelle und ging oft noch langsam, und als wollte er mit seinen Schritten die Straße vermessen, den Feldrain entlang, wenn am Abend die Arbeiten aufgehört hatten.
    »Dafür sind Sie mir verantwortlich, daß am Kreuz nix gerührt wird und der Boden zwei Meter um den Stein herum liegen bleibt, wie er ist«, erinnerte er wiederholt Wallenbeck.
    Wenig kümmerte sich um den Straßenbau der junge Ranklhofer.
    Er hatte genug zu tun, um seiner Arbeit nachzukommen, und wären nicht noch die alte Mutter gewesen und die Agatha, die oft für zwei schuftete, dann hätte der junge Bauer den Hof nicht ohne Knecht führen können. Er war wieder heimsam geworden und verließ den Hof nur mehr zum Kirchgang. Dabei vermied er es, sich mit den Nachbarn zu treffen.
    Die alte Ranklhoferin rührte mit keinem Wort an den gewesenen Dingen, und die Agatha ging dem jungen Bauern aus dem Wege, soweit dies möglich war. Er war ihr gegenüber freundlicher als ehedem und beobachtete sie oft heimlich bei der Arbeit. Sonst aber ging er verdrossen und schweigsam seiner Arbeit nach. »Der Franzi erbarmt mich«, sagte sie einmal zu der alten Bäuerin, »der geht so verkümmert umeinand wie ein Kranker.«
    Ein flüchtiges Lächeln huschte aber das strenge Gesicht der Ranklin: »Wird schon wieder werden«, sagte sie. »Seine Zeit muß jedes mitmachen, bis es gescheit wird.«
    »Dann muß auch ich einmal so eine Kümmernis tragen?« meinte die Dirn.
    »Freilich, und ich mein, sie hat bei dir schon angefangen.«
    Da wurde die Agatha still und nachdenklich. Es ziemte sich nicht für eine Dirn, sich um die Angelegenheiten des Bauern zu sorgen. Und doch, wenn sie das auch nichts anging, sooft sie daran dachte, spürte sie ein Wehtum im Herzen.
    Gerne hätte sie dem jungen Bauern etwas Gutes gesagt, etwas, was ihn wieder fröhlich hätte werden lassen, aber sie wußte sich keinen Rat. Jahrelang hatte sie sich um ihre kranke Mutter sorgen müssen, und seit diese tot war, wollte niemand mehr Fürsorge, die sie so gerne gegeben hätte.
    Gerne nahm sie sich deshalb wieder um den alten Besenbinder an, als man ihn an einem Morgen kraftlos auf dem Wege fand und in sein Häusel brachte.
    Dort lag der Alte wieder auf seiner Strohschütte und verfiel von Stunde zu Stunde. Die Agatha hatte sich von der Bäuerin freigebeten und saß am Lager des Fiebernden. Sie redete ihm gut zu, obwohl sie wußte, daß er sie nicht hörte, und hielt seine verkrampfte klobige Faust in ihrer kleinen Hand. Der dumpfe Geruch der feuchten Stubenwände legte sich bedrückend auf ihr Herz, und bange horchte sie auf die schwachen Atemzüge des Kranken. Am späten Nachmittag wurde er ruhiger und kam zu sich. Er richtete sich auf und sagte mit einer völlig klaren Stimme:
    »Agerl, jetzt dauert es nur mehr eine Weile mit mir. Ich seh den Beinermann schon dort am Fenster stehen. Hab noch etliches zu regeln. Willst mir net den Bürgermeister holen?«
    »Gern, aber leg dich nur ruhig hin, ich bin gleich wieder da.«
    Sie rannte davon, so schnell die Füße sie trugen, hinüber zum Schwaiger. Erstaunt sah
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