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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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Bestimmt antwortete sie ihm, wobei sie ihn offen ansah: »Heiraten sollst du mich, wie du es versprochen hast.«
    »Da bin ich allerdings überrascht.«
    »Gell, jetzt kommt dich dein Versprechen hart an!«
    »Schau, Bärbel, das mußt du verstehen: Ich bin hier unter völlig anderen Menschen, und vieles hat sich geändert. Wir sind schon eine Weile auseinander und – recht eng war unser Verhältnis sowieso nicht. Es war nicht meine Schuld – ich habe es gut gemeint – hab dich auch heute noch gern – ja, sicher, aber – «
    »Heimgehen tu ich nicht mehr!« fiel sie ihm heftig ins Wort. »Das darfst du nicht sagen«, meinte er. »Wenn wir heiraten würden, müßtest du ja doch vorher noch nach Hause. Es muß doch alles geregelt werden, wegen der Papiere, wegen der Hochzeit – «
    »Und wegen der Mitgift!« fuhr sie ihm bitter ins Wort.
    »Sei nicht so unüberlegt! Du kannst doch vorher noch heimgehen, kannst es dir noch einmal überlegen. Kein Mensch kann dich zwingen, den Ranklhofer zu heiraten.«
    »Ich geh net heim!« beharrte sie. »Schon wegen dem Vater net!«
    »Auch der kann dich nicht zwingen! Du bist mittlerweile volljährig und kannst heiraten, wen du willst.«
    Verzweifelt rang sie die Hände, und das Weinen wollte sie ankommen: »Du kannst mich net verstehen! Es ist etwas ganz anderes, was mich net heimgehen läßt, solange der Vater lebt. Ich wollt, ich könnt es dir sagen. Aber das kann ich vielleicht erst, wenn wir verheiratet sind.«
    »Dann muß ich es gleich wissen«, forderte er streng und faßte sie am Arm: »Mit etwas Ungewissem geht man nicht in die Ehe. Um was handelt es sich?«
    »Ich habe es dir schon gesagt: um den Vater!«
    »Du mußt es mir sagen!«
    »Nein!« Sie schloß die Augen und wandte sich ab. Sie sah vor sich das Bild der heimatlichen Flur, das enge Wiesental von Hintereben mit den alten Höfen und dem säumenden Wald, sah das Kreuz auf dem Stein im Hochacker. »Nein, ich kann das net!«
    »Barbara, dann weiß ich trotzdem, um was es sich handelt. Es ist die gleiche Sache, wegen der ich auf das Betreiben des Bürgermeisters von euch fort mußte, es ist das gleiche, was uns nicht hat zusammenkommen lassen: es ist die Geschichte vom verschwundenen Ranklhofer, und du weißt mehr, als du sagen willst.«
    Sie zuckte zusammen und sah ihn entgeistert an. Da spielte er die letzte Karte aus:
    »Barbara, du weißt, wo der Ranklhofer hingekommen ist!«
    »Nein!«
    »Dann weißt du, wer ihn zur Seite gebracht hat!«
    »Nein!«
    »Dein Vater hat die Hand im Spiel, und das weißt du!«
    »Nein! Nein!« schrie sie auf und wurde bleich.
    Er hielt sie an beiden Armen fest und knirschte: »Das mußt du mir sagen, das muß ich wissen!«
    Sie riß sich los und stieß ihn vor die Brust. Zornrot flammten ihre Wangen.
    »Gar nix weiß ich, und gar nix sag ich!«
    Da wurde er kühl. Er fuhr mit den Händen über die Ärmel seiner Uniform, als hätte er Staub davon zu wischen.
    »Wie Sie wünschen, Fräulein Schwaiger.«
    Sie lachte bitter auf. »Jetzt bin ich schon um ein Stückel gescheiter geworden, Herr Braun! Jetzt weiß ich schon, was ein Versprechen von Ihnen wert ist! Hab es grad noch rechtzeitig erfahren.«
    Sie wandte sich ab und ging mit raschen Schritten zurück in den Ort, ohne sich noch einmal umzusehen. Im Gasthof holte sie ihre Reisetasche und wanderte den Weg zurück, den sie am Mittag gekommen war.
    Mit jedem Stück, das sie sich von dem Ort entfernte und in die sinkende Nacht hineinwanderte, wurde ihr leichter. So ging sie stundenlang, ohne darauf zu achten, wohin die Straße führte. Über ihr leuchteten die Sterne an einem dunkelsamtenen Himmel.
    Nur nichts denken jetzt in dieser schönen stillen Nacht.
    Unter einem Baum rastete sie und schlief vor Müdigkeit ein, bis die Kühle der Nacht sie wieder weckte und sie weiterwandern ließ. Dieser Tag wäre überstanden, dachte sie, und sie war über das Erlebte gar nicht traurig. Da hatte ihr die Wirklichkeit wieder einen Deut gegeben, aus dem sie etwas lernen konnte. Hatte sie geglaubt, nur nach Kirchberg gehen zu brauchen, um sofort geheiratet zu werden? Diesen falschen Glauben war sie nun los, und nun vermochte sie ganz anders zu denken über das, was sie vielleicht noch erwartete.
    Sollte sie jetzt wieder heimgehen nach Hintereben? Nein! Erst mußte sie sich selber wieder finden und zur Ruhe kommen. Das konnte sie vielleicht, wenn sie einige Wochen bei der Base in Bodenmais blieb. Die würde sie schon für einige Zeit aufnehmen.
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