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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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Sie waren beim Hof angelangt, und der Hund sprang ihnen entgegen.
    »Sei still, Harro«, streichelte sie ihn, »ist ein Toter im Ort, der seine Ruh haben will.« Mit einem »Gute Nacht« eilte sie in ihre Kammer.
    Im Dorf erweckte das Sterben des Hetschers und die Krankheit des Bürgermeisters viel Gerede, und merkwürdigerweise tauchte in diesem Zusammenhang auch wieder die Erinnerung an das Verschwinden des alten Ranklhofers auf. Man erzählte sich im Wirtshaus und in den Stuben, daß der Hetscher immer davon gesprochen habe, daß nun der Ranklhofer bald kommen müßte.
    Eine spürbare Spannung lag über den Menschen, als warteten sie auf ein Ereignis, das nun bald kommen würde. Die Frage, wie es dem Schwaiger ginge, hörte man zu jeder Stunde.
    Dieser lag völlig teilnahmslos darnieder. Der Doktor hatte nur etwas von einem Herzkollaps, einem Schrecken, Ärger oder sonst einer Aufregung gemurmelt, und daß man eben zuwarten müsse. Vor allem brauche der Bauer Ruhe.
    Die Hauserin hatte an die Base in Bodenmais einen Brief geschrieben, die Barbara möge schnell heimkommen, falls sie sich bei ihr aufhalte, weil der Vater schwer erkrankt sei. Nach zwei Tagen war die Barbara da.
    Kein Wort des Vorwurfs hatte der Bauer für sie, als sie an sein Bett trat. Müde sagte er nur:
    »Mußt dich um das Sach kümmern. Ich will nix mehr sehen und hören.«
    Tag und Nacht wechselten sich die Barbara und die Hauserin in der Pflege des Kranken ab. Dann kam der Tag, der sich durch seine Ereignisse unauslöschlich in die Dorfgeschichte eintrug, und an dem das Schicksal mit eiserner Faust niederschlug auf das Tal von Hintereben.
    Der Tag, an dem der alte Ranklhofer wiederkam.
    Am Vormittag sprachen auf dem Schwaigerhof zwei Herren vom Straßenbauamt in Begleitung von Ingenieur Wallenbeck vor und wollten den Bürgermeister dringend sprechen. Die Barbara erklärte, daß es nicht möglich sei, und ob sie nicht mit ihr verhandeln wollten. Sie könne es später, wenn der Vater sich wieder besser befinde, ihm sagen.
    Wallenbeck erzählte, um was es sich handelte: Die Böschung der Straße am Hochacker beim Feldkreuz der Schwaiger könne nicht so steil gehalten werden, wie er es dem Bauern versprochen habe. Man müsse unbedingt direkt bis an den Kreuzstein herangehen. Da Sprengungen notwendig würden, solle der Schwaiger auch dazu sein Einverständnis geben, daß das Kreuz vorübergehend vom Stein entfernt werde, um es vor Beschädigungen zu bewahren. Die Zusage wäre sofort nötig, da sonst die Arbeiten aufgehalten würden.
    Die Barbara überlegte.
    »Ich glaube, daß ich das den Herren auch zusagen kann. Der Vater tut sicher alles, was für den Straßenbau erforderlich ist. Er würde sicher nicht nein sagen.«
    »Dieser Meinung bin ich auch, und ich glaube, daß wir in dieser Angelegenheit den Kranken gar nicht zu belästigen brauchen«, erklärte Wallenbeck.
    »Dann wollen wir aber auch nicht länger stören«, entschuldigten sich die Herren und empfahlen sich.
    Am Nachmittag fühlte der Schwaiger sich etwas besser. Eine Unruhe erfaßte ihn, und seine abgemagerten, grauen Hände fuhren zitternd auf der Zudecke hin und her. Unwillig nur nahm er die Medizin, die die Barbara ihm einflößte.
    Die Sonne schien durch das geschlossene Fenster des alten Bauernhauses. Eine schier unheimliche Stille lastete in der Kammer. Nur die Fliegen summten unter der Decke, stießen brummend an die Fensterscheiben und liefen eilig über das weiße Linnen der Betten. Im Halbschatten sah von der Wand das Bild der Schwaigerin, und die Züge der jungen Frau trugen Mitleid und Erbarmen mit dem Mann, der schwer atmend unter ihr lag. Blutrot funkelte ein Sonnenstrahl im Medizinfläschchen auf dem Fensterbrett. Aus der Wohnstube nebenan klang durch die hölzerne Wand das Ticken der Uhr.
    Da schlug der Bauer die Augen auf.
    »Wieviel ist es?« flüsterte er matt.
    »Wird bald vier Uhr sein«, gab die Barbara ihm Bescheid.
    »Wer ist denn gerade da gewesen?«
    »Niemand.«
    »Ich hab ihn doch reden hören.«
    »Das muß dir geträumt haben, Vater.«
    Er wandte ihr den Kopf zu, und seine grauen Augen blickten sie klar an. »Wie lange bist du schon da?«
    »Drei Tage.«
    Er wandte sich dem Fenster zu.
    »Ich kann nicht mehr recht sehen, Bärbel, das ist ein schlimmes Zeichen.«
    »Der Doktor hat aber gesagt, daß du jetzt schon über den Berg bist«, tröstete sie ihn.
    »Ich mein aber, ich weiß es anders«, flüsterte er. Nach einer Weile fragte er: »Was ist heut für
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