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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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da brauch ich net gehen, hihihi, tut mir eh mein Haxen so weh!« Er kletterte auf den Wagen und kauerte sich auf die Mehlsäcke. Zusammengekrümmt saß er dort und lauerte von unten herauf, mit schiefgeneigtem Kopf, zum jungen Rankl empor, der sich unwillig nach ihm umwandte. Trübe gelbe Augen zitterten in einem häßlichen, von grauen Bartstoppeln gesäumten Faltengesicht.
    »Der Hetscher? Wo treibst dich denn wieder umeinander?«
    »Hab nur nachgeschaut, hihihi, ob es auch droben im Wald geschneit hat. Ist der gleiche Schnee droben, hihihi, genauso weiß und – so kalt.« Er schüttelte sich und hauchte sich in die blaugefrorenen Hände.
    »Bleib daheim, Hetscher!« schrie ihm der junge Bauer über das Rumpeln des Wagens zu. »Bleib hinterm Ofen und bind mir etliche Reiserbesen! Ist ein besseres Geschäft für dich, als daß du in der Kälten herumstreunst.« Der Schwachsinnige konnte nichts dafür, daß ihn sein versoffener Vater zum Krüppel und zum Blödel geschlagen hatte, aber wenn er dies auch bedachte, konnte der junge Mann seine Abneigung vor dem alten Manne doch nicht verwinden.
    Der Hetscher hatte dies auch aus den Worten des Franz herausgehört mit der Witterung, die solche arme Teufel meist haben. »Paßt dir nit, daß ich aufgesessen bin, hihihi, gell? Kannst mich ja runterwerfen!« In seinen Augen glitzerte es boshaft.
    Der Rankl achtete wieder auf die Pferde, die gerade aus der Schlucht des Elenderbaches in das ansteigende Tal und das Hangsträßlein einbogen. Er achtete nicht mehr auf den Alten und bemerkte es daher auch nicht, als dieser wieder vom Wagen sprang und auf der anderen Seite des Baches am Hang entlang, die rechte Hand auf das vorgestreckte Knie seines verkrüppelten Fußes stützend, seinem Häusel zuhüpfte, das unter zwei großen winterkahlen Kirschbäumen mehr Dach als Mauern sehen ließ.
    An diesem Tag warteten sie auf dem Ranklhof vergeblich auf die Rückkehr des alten Bauern. Wortlos, verbittert und unruhig trieb es die Bäuerin durch die Stuben. Als es wieder Nacht wurde und der Vater noch nicht gekommen war, stellte sie den Franz:
    »Jetzt glaub ich nimmer, daß der Vater in einem Wirtshaus sitzt. Er ist nie so lange ausgeblieben, und seit gestern treibt es mich schon um, als wüßt ich es gewiß, daß ihm etwas passiert ist.« Ihre Hände verkrampften sich an der Schürze, und ratlos gingen ihre Blicke durch die Stube.
    »Kommt mir schon selber nimmer ganz recht vor«, brummte der Franz, »werd wohl suchen gehen müssen.«
    »Ja, geh!« Erleichtert seufzte sie auf und fügte zögernd hinzu: »Bring ihn heim und – wenn er recht besoffen ist, dann wart, bis euch keine Leut mehr sehen – aber ich fürcht – « Sie brach ab und ging aus der Stube.
    Er sah ihr nach. Wie die Mutter seit der gestrigen Nacht verfallen war! Immer war sie noch fest und aufrecht gestanden. Nun aber sah sie um zehn Jahre älter aus, und wie sie gerade so vor ihm gestanden hatte, nach vorn gebeugt und die Arme abgewinkelt von sich gestreckt, als wüßte sie nicht, wohin sie mit den zitternden Händen sollte, das Gesicht verhärmt, das packte ihn. Er ging ihr nach in die dunkle Kammer. Sie stand dort am Fenster, und ihr Schatten stach gegen das Schneedämmern, das durch die Scheiben lichtete.
    »Geh ins Bett, Mutter, sonst wirst du uns krank.«
    »Ich fürcht mich, Franzi!« stieß sie heiser hervor. »Was mich in der gestrigen Abendstund angegangen hat, ist nichts Natürliches gewesen.« Sie erzählte stockend von dem Krachen im Hause, der zersprungenen Fensterscheibe und wie das Bett in der Kammer so laut geknarzt hätte, grad so, als hätte der Bauer drinnen gelegen und sich umgedreht. Die ganze Nacht sei sie im Ofenwinkel gesessen und fast vergangen in Angst, denn alleweil sei es gewesen, als wäre noch jemand in der Stuben – und der Harro! So sei der Hund noch nie gewesen.
    Das Wesen der Mutter erschreckte ihn.
    »Bist krank, Mutter?«
    Sie schüttelte den Kopf und sprach flüsternd weiter: »Mir fehlt nichts, Bub, aber ich glaub, daß es zwischen Himmel und Erd noch etwas gibt, was wir net verstehen, das aber doch da ist und – Bub, ich sag dir – es ist etwas passiert – wie mein Vater selig gestorben ist, hat es auch Zeichen gegeben.«
    Er sah, wie sie mit dem Handrücken über die Augen fuhr, und da legte er ihr die Hand auf die Schulter. Es sollte sorgende Zärtlichkeit sein, und er tat es scheu und zart, denn auf dem Ranklhof war offene Zuneigung zwischen Kind und Eltern nie üblich
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