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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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wie Schinderei und Kümmernis, Freud über den Erfolg und Leid über den Mißerfolg, dieser dauernde Wechsel im Waldbauernleben, in einem Mannsleutherzen wirken!
    So wanderten ihre Gedanken neben dem Vaterunser her, das ihre Lippen flüsterten, so gewohnt, wie man es seit den Kinderjahren tat.
    Erschrocken hörte ihr Inneres auf das Lippengebet.
    »O Herr, gib ihm die ewige Ruhe – «, hatte sie gebetet, als stünde sie vor einem Totenbrett oder ginge in einem Leichenzug.
    Zusammenzuckend richtete sich ihr Oberkörper auf, und sie sah sich verstört in der Stube um. War sie nicht mehr allein? Ist es nicht gerade gewesen, als wäre noch jemand hier und stünde ihr so nah, daß sie fast die Körperwärme und den wehenden Atem des anderen spürte?
    Da riß der Schreck sie hoch: Ein Schlag dröhnte im Haus und krachte in den Wänden, als wäre das Dach in die obere Stube gestürzt. »Um Gottes willen, was ist jetzt passiert!«
    Mit zitternden Knien wankte sie in die Hausflötz und trat auf die Steingred hinaus. Harro drängte sich an ihr vorbei ins Haus. Sie sperrte die Haustüre ab und stieg die Bodentreppe hinan. Diesen Krach mußte auch der Franz gehört haben. So schnell konnte er noch nicht eingeschlafen sein, und dieser Schlag hätte einen Toten aufgeweckt.
    »Franz!« Sie klopfte an seine Kammertür.
    »Was ist los, Mutter?«
    »Was ist das gerad für ein Krach gewesen? Ich hab gemeint, das Haus war eingefallen.«
    Verwunderung klang aus der Stimme des jungen Bauern, als er nach einer kleinen Weile antwortete: »Ich hab nix gehört, Mutter.«
    »Hast schon geschlafen?«
    »Nein, hab mich eben erst hingelegt.«
    »Ist schon recht, gute Nacht!« murmelte sie und ging die Bodenstiege wieder hinunter. In der Stube sah sie sich ängstlich um. Der Schein der Petroleumlampe lag auf der buchenen Tischplatte, und der Blechschirm schuf um diesen Lichtkreis ein häßliches Dunkel. Unter dem Tisch hatte sich der Hund zusammengekauert und sah sie mit Augen an, die im Dämmer zu glühen schienen. Überlegend stand sie. Der Franz will nichts gehört haben? Wie könnte das sein! Diesen Krach mußten sie bis zum Schwaiger hinüber vernommen haben! Sie trat an das Fenster. Eine Scheibe war gesprungen. Am Abend war sie noch ganz gewesen, geträumt hatte sie also nicht. War jemand am Fenster gewesen? Draußen?
    »Harro, komm!« Sie wollte den Hund aus der Stube in den Hof tun. Dort war er Nacht für Nacht in der Hütte und dem Hof ein guter Wächter. Das Tier aber sträubte knurrend die Haare und biß nach ihrer Hand, als sie nach dem Halsband greifen wollte.
    Da setzte sie sich in den Ofenwinkel, ganz still, als dürfte sie kein Geräusch mehr machen.
    Warum war es so totenstill in der Stube? Die Uhr – ja, die Uhr war stehengeblieben. Sie dachte wieder nach. Dieses Krachen hatte sie so deutlich gehört. So laut und deutlich, daß ihr die Ohren gedröhnt hatten. Und die Fensterscheibe war auch zersprungen! Eiskalt kroch es ihr über den Rücken. Hatte sich etwas angemeldet? Brachte der morgige Tag ein Unglück?
    Die Stille wirkte unheimlich und spannte ihre Nerven an, daß ihr der Kopf schmerzte. Vorgebeugt horchte sie in diese Leere.
    Hatte nicht eben das Bett in der Kammer nebenan geknarzt, so wie die alte Bettlade immer ächzte, wenn der Rankl sich hineinlegte oder in der Nacht umdrehte? Hatte sie nicht das Gefühl, als müßte in der Kammer jemand sein? Fast glaubte sie das Atmen zu hören. Das war wohl ihr eigenes, ängstiges Schnaufen!
    Sie fürchtete sich – ja fürchten tat sie sich! Was war das für ein unguter Tag heut!
    Aber ist man nicht immer einwendiger und bedrückter gestimmt, wenn der Winter sich meldete? Und draußen fiel der Schnee und deckte das Leichentuch des Waldwinters über das Land. Da fing der Wind im Kamin wieder zu singen an und vernichtete die Totenruhe im Haus. Dieses Summen erleichterte sie, und sie hörte genauer hin. Es war ein Singen wie der Ton einer kleinen hölzernen Orgelpfeife, und es wurde zum leisen Weinen und Jammern, wenn ein neuer kräftiger Windstoß in den Schlot fuhr.
    So saß sie die ganze Nacht.
    Es mochte schon ein gutes Stück nach Mitternacht sein, als sie noch einmal vor das Haus ging und in die Nacht horchte. Drüben beim Schwaiger brannte noch Licht. Und gegen Morgen, als sie es vor Kälte nicht mehr aushielt und den Ofen wieder anschürte, rollte drunten auf dem Weg ein Gefährt. Sie vernahm es deutlich und wartete gespannt, ob man etwa den betrunkenen Rankl
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