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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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hatte.
    Unlustig stapfte der Franzi durch das Schneetreiben gegen den Wald.
    Dieser unselige Prozeß! Kein Wort hatte der Vater mehr gesprochen, seit sie heute gegen Mittag von der Stadt zurückgekommen waren, aber der wühlende Zorn hatte ihm die Adern auf der Stirn und am Hals herausgetrieben, und seine Fäuste hatten gezuckt und gezittert vor Wut. Seit Wochen schon war er wie ein Irrer gewesen, und kein Wort konnte man mit ihm reden, außer man brachte die Rede auf den Stein im Acker. Er hielt sich an keine Zeit mehr, stand frühmorgens auf und ging auf die Felder oder in den Wald hinauf, kam abends nicht mehr heim, und wenn man ihn suchen wollte, fand man ihn meistens beim Wirt drunten im Dorf, zu dem das Seitental von Hintereben gehörte, oder er war gar in einem Nachbardorf.
    Der Hund rannte vor ihm her, kam wieder zurück und hetzte von neuem gegen die Höhe, jaulend und winselnd. Dann stand er und bellte gegen den Hang hinüber. Ein dunkler Schatten hastete über die Wiesen.
    »Vater!«
    Er war es nicht, denn sonst hätte er den Ruf hören müssen. Die Gestalt verschwand im Dunkel der Nacht. Etwas gebückt und springend. Der Hund rannte weiter zum Wald hinauf.
    Wahrscheinlich saß der Vater wieder irgendwo und krakelte. In den Wirtshäusern redete und schrie er, und daheim brachte man kein Wort mehr aus ihm heraus. Nachgeben gab es beim Rankl nicht. Immer war er es, dem Unrecht geschah, und wenn er sich auf etwas versteifte, dann sah er weder links noch rechts, dann war nur Recht, was er sich als Recht auslegte.
    Er hatte einen eisenharten Vater, und heute durfte er, der Fünfundzwanzigjährige, noch nicht eine eigene Meinung haben, wenn er nicht den Zorn und den eichenen Hakelstecken des Alten zu spüren bekommen wollte. Die Mutter hatte keine gute Stunde mehr, seit im Ranklhof der Haß gegen den Schwaiger loderte. Aber die Mutter war ein rechtlich denkendes Weib, und sie scheute sich nicht, dem Rankl entgegenzutreten, wenn sein Zorn ins Unmaß geriet.
    Vor ihm wuchs aus dem Dunkel ein Birkenwäldchen, und die Holzschuhe raschelten im gefallenen Laub. Dahinter leuchteten fahl die schneeweißen Hochfelder, die zwischen diesem Birkenbestand und dem hohen Fichtenwald lagen. Zwei Felderbreiten waren es, getrennt durch einen meterbreiten Rain, auf dem kleines Gestäude stand und an dessen Beginn der umstrittene Stein ragte. In diesem Dämmer heulte nun der Hund laut und wild auf, bellte und winselte. Der junge Bauer kam am Acker entlang bis zu dem Stein. Dort saß Harro, sprang hin und her, scharrte am Boden und gebärdete sich wie toll. Der schützende Wald fing den Schneewirbel etwas ab und hielt den kalten Wind zurück, so daß unter dem Sausen und Brausen über den Bäumen um die beiden Äcker eine fast wärmende Stille war, in die die aus dem Sturm kommenden Flocken müde taumelten.
    »Vater!«
    Der Ruf fand keinen Widerhall. Er verklang dumpf und kurz über den Ackerschollen. »Harro!« Der Hund hörte zu heulen auf und kauerte sich knurrend am Stein nieder.
    Hier war der Vater nicht mehr, und das hätte er sich eigentlich denken können.
    »Komm, Harro!«
    Der Hund winselte und drückte sich eng an den Boden. Ach was, der Hund würde schon nachkommen, dachte der Franzi und machte kehrt. Sein Fuß stieß an etwas. Er bückte sich. Es war die Schaufel, und noch eines fand er dabei: den Hut des Vaters.
    War er weggegangen und hatte den Hut hiergelassen?
    Er sah sich noch einmal um, soweit er in der Nacht sehen konnte, schulterte die Schaufel und ging den Weg zurück.
    Erst nach langem Rufen und Pfeifen folgte ihm der Hund langsam und mit hängendem Kopf.
    Trübe flackerte die Petroleumlampe in der Stube und die beiden Frauen saßen schweigend, als der junge Rankl eintrat und seinen Hut und den des Vaters auf die Bank warf.
    »Wir können essen«, sagte er und hängte die Joppe an den Nagel. »Der ist nimmer droben. Was tät er denn auch in der Nacht noch! Die Schaufel ist droben gelegen und sein Hut. Er wird halt wieder zum Wirt sein.«
    Die Ranklin erwiderte nichts, holte schweigend die Schüssel vom Ofen, stellte die Kartoffeln auf, und ohne ein Wort zu reden, aßen sie.
    Während die Dirn das Geschirr aufräumte, drehte sich der Franz eine Zigarette, und die Bäuerin wischte mit langsamen Bewegungen den Tisch ab. Die Dirn empfahl sich bald darauf, und auch der junge Bauer suchte seine Kammer unterm Dach auf. In der Stube blieb noch die Bäuerin. Sie saß am Tisch und stützte den Kopf mit dem schütteren
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