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Das Kreuz am Acker

Das Kreuz am Acker

Titel: Das Kreuz am Acker
Autoren: Paul Friedl
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grauen Haar in die Hände. Die letzten zwei Jahre hatten sie stumm und müde gemacht. Wie hatte sich doch in dieser Zeitspanne das Leben auf dem Hof und in der Familie des Ranklhofers verändert. Was war aus dem Rankl geworden! Einmal ein angesehener und fleißiger Bauer, der nichts vertat und sein Sach zusammenhielt, konnte man ihn nun zu den Wirtshausbrüdern und Prozeßhanseln der Gemeinde rechnen, und man tat es auch. Wenn es die Leute auch nicht offen aussprachen, die Ranklhofer ahnten es und spürten es; die Achtung vor dem Ranklbauern war dahin.
    Im Dorf und darüber hinaus.
    Das machte dieser unselige Prozeß. Seit sie verheiratet waren, hatte es keine Zeit gegeben, in der der Bauer etwas auf das Wirtshausgehen gehalten hätte. Das Bier machte ihn noch ganz närrisch. Als Lediger hatte er öfter etwas über den Durst getrunken und war dadurch zum Streitfuchsen und Raufer geworden. Aber bei der Heirat hatte er ihr versprochen, sich keinen Rausch mehr anzutrinken, und hatte durch bald dreißig Jahre sich zurückgehalten. Damals aber, als er sich zum erstenmal mit dem Schwaiger wegen dem Kreuzstein zwischen ihren Feldern gestritten hatte, war er zum Dorfwirt gegangen, hatte in den Zorn hineingetrunken und war unglücklicherweise noch einmal an den Schwaiger geraten. Außer sich vor Wut und Rausch war er gegen den Nachbarn angegangen, und dieser hatte ihn unter den Tisch geschlagen. Damit hatte der Nachbar dem dickköpfigen und stolzen Rankl eine Wunde beigebracht, die nicht mehr verheilte, die den Bauern Tag und Nacht nicht in Ruhe ließ, und dann kam der Prozeß. Mit jeder Verhandlung wurde die Feindschaft tiefer, und der Rankl fand immer öfter den Weg in die Wirtshäuser. Dort waren die Leute leicht zu finden, die jedem recht gaben und den Ranklhofer aufhetzten. Ob diese dummen und rohen Mannsbilder dabei wußten, was sie dadurch einem Eheweib antaten? Viele Male hatte sie sich stundenlang das trunkene Gerede des Bauern anhören müssen, wenn er in der Nacht heimkam und ihr vorhielt, wie der und jener ihm wieder recht gegeben hätte. Wie sie sagten, er solle nur nicht nachlassen, und der Prozeß wäre für ihn so gut wie gewonnen. Nur sie, sein eigenes Weib, wollte nichts davon wissen und war schier bereit, zum Schwaiger zu halten!
    Die erste Widerrede gab den ersten Streit und eine nachhaltende Bitternis. Sie wurden stumm. Dem Manne nahm der Groll das Wort weg, und sie machte sich das Schweigen zu eigen, um dem Streit auszuweichen. Er aber steuerte den Wirtshäusern zu, um sich von den Saufbrüdern zum Narren halten zu lassen. Daß sie sich mit seinem Gerede über den Prozeß nur mehr ergötzten, merkte er längst nicht mehr.
    Heute würde er halt wieder drunten im Dorf sitzen. Denn dort vergaß er alles, und dort ging ihm auch das Mundwerk. Alle fremden Leute hatten auf einmal mehr Recht und besaßen sein Vertrauen mehr als die eigene Familie.
    Ganz elend wurde ihr.
    Sie war dabei still geworden, und der Gram hatte ihr das Lachen genommen. Wie oft war sie halbe und dreiviertel Nächte so hier gesessen und hatte auf ihn gewartet! Nur um dann seine unsinnigen Wiederholungen anzuhören, wenn nicht mehr der Bauer, sondern das Bier aus ihm sprach.
    Daß er aber heute gleich vom Feld weg ins Wirtshaus gegangen war? Und nicht einmal erst die Schaufel heimtrug – die Schaufel und den Hut?
    Wurde es schon kalt in der Stube? Ein Frösteln schauerte über ihren Rücken.
    Den Hut! Warum sollte er nicht den Hut zurücklassen? War er nicht schon ganz wunderlich gewesen in der letzten Zeit?
    War er nicht schon von der Grummetwiese weg nur in Hemdsärmeln zum Dorfwirt hinuntergerannt, weil ihn gerade der Zorn wieder geplagt hatte?
    Sollte sie ins Bett gehen? Aber sie läge ja doch nur stundenlang wieder in der Kammer und raufte mit unguten Gedanken. Sie legte die rauhen und arbeitsharten Hände auf die Tischplatte, verkrampfte die Finger ineinander und fing leise zu beten an.
    Herrgott gib ihm ein Einsehen!
    Und je länger sie so vor sich hinflüsterte, desto mehr überkam sie nun ein Erbarmen mit ihrem Mann. Er war kein schlechter Mensch, und wenn einer sich ein Leben lang auf den lebensarmen Steinfeldern und den sauren Wiesen dieses Walddobels abrackerte, dann wuchsen ihm aber der Stolz und der Dickkopf. Das mußte so sein, sonst könnte er die Schwierigkeiten und die Seelennot um Saat und Ernte gar nicht ertragen, er müßte verzweifeln vor dem Elendsboden und die Feldhaue hinwerfen.
    Und was weiß da ein Weibsbild,
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