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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist
Autoren: Barbara Noack
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dem Flachdach des Wirtschaftstraktes unter
wehenden, tropfenden Leintüchern und beobachtete das Geschehen außerhalb der
Gartenmauern.
     
    »Grüß Herodes«, sagte Rieke zu Bob, als sie
frühmorgens auf den Abflug der Chartermaschine nach Frankfurt warteten. »Und
sag deinen Eltern noch mal vielen Dank.«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Ich habe ja gesagt.« Er drehte am drittobersten
Knopf ihres Regenmantels.
    »Es war richtig schön, weißt du.«
    »Hm, hm.«
    Sie schauten beide auf einen von Riekes
Mitfliegern, einen Endfünfziger in einem T-Shirt mit der Aufschrift Acapulco.
Ein hoher Magen hatte die Buchstaben auseinandergezogen. Aber noch immer würde
jeder zu Hause entziffern können, woher der Träger dieses Hemdes gerade kam.
    Rieke starrte sich auf dem beschrifteten Wanst
fest. Sie wollte nicht heulen...
    Irgendwas Belangloses reden, um die Gefühle kühl
zu halten. »Glaubst du, daß Pepe noch ins Internat muß...?«
    »Nein, glaube ich nicht.«
    »Bin überhaupt gespannt, was aus dem mal wird.
Was glaubst du, Bob...?«
    Er hatte gar nicht zugehört.
    »Ich hab’ dich was gefragt!«
    »Ja?«
    »Was aus Pepe mal wird.«
    »Das ist bei ihm ziemlich klar. Er wird
Geschäftsmann. Er wird ein passendes Mädchen heiraten. Er wird vielleicht nie
wieder ein Mädchen so gern haben wie Malin-che. Er wird eine Geliebte
aushalten, die Korruption mitmachen — versuchen, sich mit jeder Regierung’gut
zu stellen...«
    »Und du?« fragte Rieke.
    »Ich werde noch oft an dich denken«, sagte Bob
und gab ihr den Knopf, den er inzwischen von ihrem Mantel gedreht hatte. Rieke
steckte ihn in die Tasche.
    Immer mehr Passagiere für die Chartermaschine
nach Frankfurt stellten sich ein. Einer von ihnen hatte eine Mexikanerin bei
sich, die heulte zwischen die Revers seiner Freizeitjacke.
    Manchmal war das Leben gar nicht schön...
    »Sixten wird dich abholen, nicht wahr?«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Bin gespannt, was er zu der Tischbimmel sagt.«
    »Ja.«
    »Wie?«
    »Ich habe >ja< gesagt.«
    Seine Finger strichen leicht über ihre Wange.
Rieke schloß die Augen. Das war ein Fehler. Die Lider drückten auf ihre Tränen
und brachten sie zum Kollern...
    »Ich hab’ dich so lieb«, sagte Bob. »Ich hab’
dich so lieb...«
     
     
     

10
     
    Sixten war nicht am Flughafen. Dabei hatte sie
ihm Tag und Stunde aufgeschrieben und sichtbar an das Küchenbüffet gepinnt. Er
konnte sich also nicht auf ein verlorengegangenes Telegramm herausreden.
    Er war nicht da. Na schön, dann eben nicht. Dann
schenkte ihm Rieke aber auch nicht die Tischglocke. Sie wollte gerade ihr
Gepäck zum Ausgang karren, als sie hinter sich ihren Namen jubeln hörte: » Fräulein
Birkow !«Rieke schaute sich um und sah die Oberstwitwe aus der
Beletage. Links schwenkte sie einen Asternstrauß, und rechtsseitig war sie
schief, weil an eine rollende Kugel geleint, die sie heftig vorwärtsriß.
    Nein, dachte Rieke voll Entsetzen und plötzlich
auch voll Heimweh nach jenen dürren, scheuen, namenlosen Straßenhunden Mexikos,
dieser gekräuselte Mast-Mops kann nicht mein Plumpsack sein.
    Er war es aber, und er wollte es auch bleiben.
Seine Wiedersehensfreude riß sie fast um. Dabei duftete er nach Tosca, Frau von
Arnims Lieblingsparfüm.
    Selbige hatte kaum Zeit für
Begrüßungsformalitäten. Sie bebte vor Neuigkeiten, denn:
    Kosewinkels waren ausgezogen. Heimlich, über
Nacht. Mit Sack und Pack. Sie hatten sich vom Hausbesitzer mit einer vierstelligen
Summe dazu überreden lassen, freiwillig die Wohnung zu räumen.
    Daraufhin war auch Fräulein Hellwig moralisch
umgefallen und hatte die Hand aufgehalten.
    Sie fuhr jetzt erst einmal mit dem Bus über
Wien, Plattensee nach Budapest, das hatte sie sich schon immer gewünscht.
    »Anschließend zieht sie zu ihrer Schwester nach
Dortmund, wissen Sie, Fräulein Birkow, wo der Mann kürzlich gestorben ist«,
erzählte Frau von Arnim auf dem Weg zum Parkplatz. »Und nun stellen Sie sich
vor: Die Türken sind auch am Packen. Wohin die ziehen, weiß ich leider nicht,
denn ich rede ja seit dem letzten Rohrbruch nicht mehr mit ihnen.«
    »Dann sind wir praktisch die letzten Mieter im
Haus.« Rieke war flau im Magen.
    »Ja, das heißt, ich habe jetzt mehrere
Privatheime angeschrieben«, gestand Frau von Arnim. »Es gibt da ja ganz
bemerkenswerte Anstalten mit regem kulturellem und geistigem Leben und sehr
feinen Menschen.«
    Sie schloß den Kofferraum ihres greisen Autos
auf, damit Rieke ihr Gepäck verstauen konnte. Gott sei Dank
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