Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
den Plumpsack-geht-Um. Zur
Hälfte war er ein ungarischer Hirtenhund, zur anderen seit Generationen Promenadenpotpourri;
sein Fell erinnerte an einen schmutzigen Flokati-Teppich.
    Plumpsack rutschte Glied für Glied von seinem
Balkonstuhl und bewegte sich wedelnd auf Riekes Einkaufstaschen zu. Er hängte
seine Schnauze in eine hinein und brachte sie zum Umfallen. Äpfel kollerten
durch die Küche, Unterkünfte aufsuchend, unter denen sie schwer hervorzuangeln
waren.
    »Wozu brauchen wir so viele alte Äpfel, Rieke?«
    »Sonderangebot.«
    »Du weißt, mir schmeckt nichts, wovon wir zuviel
haben.« Sixten aß nicht gern Belastungen, schon gar keine verschrumpelten.
    »Dann mach Appelmus draus.« Die Anschaffung
begann, nun auch Friederike lästig zu werden. »Ich hab’ wegen dem Zeug schon
ein Taxi nehmen müssen.«
    »Taxi!« Ein Sonderangebot, das Taxi fährt!
»Hattest du nicht die Karre mit?«
    »Sie ist mir weggestorben.«
    »Wo?«
    »Am Rathenauplatz.«
    »Oh, das kenn’ ich. Da bleibt sie gern stehn.
Und jetzt?«
    »Steht sie noch immer da.« Rieke packte ihre
Einkäufe auf den Küchentisch. »Was sind eigentlich Kanaken?«
    »Kanaken? Wie kommst du ‘n plötzlich auf
Kanaken?«
    »Ich hab’ zuerst gefragt.«
    »Na gut«, sagte er, »Kanaken sind diese
schwarzen, widerlichen Käfer. Meine Großmutter hatte mal welche, als sie über
einer Backstube wohnte. Aber das war noch in Stockholm.«
    »Du meinst Kakerlaken, Sixten Förster.«
    »Auch gut«, er schüttete seinen Pudding in eine
Glasschüssel, »was werden wir uns streiten«, schüttete Vim in den Kochtopf mit
dem schwarzen Boden, goß Wasser drauf, murmelte »Erst mal einweichen« und hatte
somit einen plausiblen Grund vor sich selbst, das Scheuern des Topfes auf
unbestimmte Zeit hinauszuschieben.
    »Es ist ein Brief für dich gekommen«, sagte
Friederike.
    »Wo? Von wem? Zeig mal!« so gespannt reagierte
nur jemand, dessen Leben seit einiger Zeit ereignislos geworden war.
    Er las ihn gleich in der Küche, und Friederike
sah ihm dabei zu.
    Es mußte ein erfreulicher Brief sein, denn
Sixtens von Natur aus breiter Mund wuchs über seine Winkel hinaus himmelwärts.
Bei anderen hätte man gesagt: der grient. Aber in diesem gutmütigen,
großflächigen Stoffelgesicht vollzog sich das Mimische bedeutend umständlicher.
Sixten war überhaupt kein spontaner Typ und immer froh, wenn ihm jemand die
Initiative abnahm. Manchmal machte es Rieke so nervös, daß er so war, wie er
war — so bedächtig und völlig ungesalzen. Dann schrie sie ihn grundlos an. Er
schrie nie zurück. Seine Verletzlichkeit wurde höchstens in seinen von
niedrigen, dichten Brauen überdachten Augen sichtbar.
    Auch die Geduld, die er im Umgang mit ihr
aufbrachte, machte sie zuweilen so ungeduldig. Und immer hatte sie ihm
gegenüber ein schlechtes Gewissen.
     
    Sixten hatte den Brief zu Ende gelesen und sagte
etwas für seine Verhältnisse geradezu Pathetisches: »Ich freß ‘nen Besen und
die Putzfrau dazu.«
    »Was ist es, sag doch mal, ist es etwa eine
Zusage?« hoffte Rieke so sehr. Sie sah ihn zweimal die Woche
Bewerbungsschreiben tippen, wobei er das Zweifingersystem bevorzugte.
    »Nein. Von Pauli Herwart. Stell dir vor! Du
weißt doch...«
    Friederike wußte, wer Paul Herwart war. Immer
wenn Sixten einen sitzen hatte, fiel ihm die herrliche Zeit ein, die sie
gemeinsam in Berlin verbracht hatten. Paul war damals im letzten Jahr auf der
Werbefachschule und Sixten im zweiten Semester Betriebswirtschaft und noch so
voller Unbedenklichkeit, was seine Zukunft anbelangte.
    »Was schreibt er denn?«
    »Da, kannst ja selber lesen.« Er gab ihr eine
Klappkarte mit einer karikierten Rennsemmel auf dem Deckblatt. Rieke las:
    »Lieber Sixten!
    Am 15. 6. startet unsere vierte Juxrallye. Wir
laden Dich herzlich dazu ein und hoffen, daß Du Zeit und Lust hast,
mitzumachen.
    Sag uns bitte bis zum 1. Juni Bescheid. Für
billige Unterkunft wird gesorgt.
    Wir versprechen, daß es wie immer eine Gaudi
wird.
    Herzlichst     Ilonka und Paul.«
    Dieser Text vorgedruckt, nur Sixtens Name
nachträglich eingesetzt. Unter der Unterschrift der beiden Veranstalter stand
ein handgeschriebenes Postskriptum.
    »Grüß Dich, Sixten, sechster Enkel eines
schwedischen Pastors!
    Ewig nichts von Dir gehört. Habe mit Mühe über
Charly Deine Adresse erfahren. Wie geht’s Dir? Was machst Du? Hoffe stark, Du
kommst zu unserer Rallye. Das wäre endlich eine Gelegenheit, Dich
wiederzusehen. Du wohnst natürlich bei uns.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher