Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist
Autoren: Barbara Noack
Vom Netzwerk:
fiel ihr nicht auf,
daß ihr eigener Koffer, den sie Rieke für diese Reise geborgt hatte, nicht
dabei war.
    »Ich hoffe, Fräulein Birkow, Sie werden sich
meinen Fahrkünsten anvertrauen.«
    »Aber sicher, Frau von Arnim.« Hatte Rieke doch
gerade Mexiko ohne Schramme überlebt...
    »Wo ist eigentlich Sixten? Ist er nicht in
Berlin?«
    »Nein, stellen Sie sich vor, Fräulein Birkow,
Herr Förster ist in Hamburg bei seinem Bruder — schon über eine Woche. Der hat
eventuell etwas in Kiel für ihn in Aussicht. Na, das wäre doch wundervoll,
Fräulein Birkow! Dann können Sie endlich heiraten und hätten die Kieler Woche
direkt vor der Tür — ohne kostspielige Anreise.«
    Da Rieke auch bisher nicht zur Kieler Woche
gefahren war, machte dieser in Aussicht gestellte Vorteil nicht den erwarteten
Eindruck auf sie.
    Immerhin, Sixten hatte Aussicht auf eine
Anstellung. Wieviel sich doch manchmal in 14 Tagen ereignen konnte!
    Nur vierzehn Tage — und dabei kam es ihr so vor,
als ob sie ein halbes Jahr fortgewesen wäre.
    »Plumpsack war also bei Ihnen in Pension?«
    »Ja.« Frau von Arnim startete ein tollkühnes
Überholmanöver ohne Rücksicht auf den schwachbrüstigen Motor ihres Wagens. Für
eine preußische Oberstwitwe fuhr sie reichlich keck.
    »Seit Herr Förster weg ist, wohnt Plumpsack bei
mir. Ein zu drolliges Kerlchen. Wirklich gut zu leiden.«
    »Sie haben ihn sicher sehr verwöhnt.«
    Frau von Arnim wußte sofort, was Rieke damit
meinte. »Ja, nicht wahr? Er ist ein bißchen vollschlank geworden, mir ist das
selbst ein Rätsel. Ich hab’ ihm wirklich kaum etwas zu fressen gegeben! — Wie
war’s denn so in Mexiko? Erzählen Sie doch mal, ach, beinahe hätte ich es
vergessen! Kurz vor seinem Auszug hat sich Kosewinkel noch mit Üskül geprügelt.
Diese Kanaken...!« Und so berichtete sie in einem fort, bis sie vor dem
schmiedeeisernen Portal, dessen Flügel eine rostige Kette zusammenhielt, die
Bremse zog.
    »Da sind wir!«
    Rieke stieg aus und sah auf das Haus mit seinen
Stuckverzierungen und seinen Schimmelflecken und eisernen Baikonen — die liebe,
olle, herrschaftliche Bruchbude, nun endgültig zum Abriß verurteilt. Sie tat
Rieke so leid.
    Die Wohnung roch ungelüftet und nach
abgestandenem Blumenwasser. Sixten mußte sehr eilig aufgebrochen sein. Nicht
einmal die Schranktüren hatte er zugemacht. In der Küche fand sie zwei Töpfe
mit Puddinganbrenne. Die nahm sie ihm ernsthaft übel.
    Auf dem Wohnzimmertisch lag ein Zettel:
    »Liebe
Rieke, bin in Hamburg oder Kiel. Solltest Du früher als ich nach Berlin
zurückkommen, rufe mich bitte unter einer dieser beiden Nummern an. Plumpsack
ist bei Frau von Arnim.
    Drück
mir die Daumen!
    Kuß
    Sixten.«
    Leider hatte er vergessen, die Telefonnummern
aufzuschreiben.
    Rieke holte den Arnimschen Koffer unter ihrem
Bett hervor, staubte ihn ab und machte sich mit ihm und der Tischglocke auf den
Weg in die Beletage. »Dunnerlitjen! Fräulein Birkow! Damit haben Sie mir aber
eine große Freude gemacht. Eine Tischglocke. Früher war das ja eine
Selbstverständlichkeit. Wir hatten ein schönes Exemplar aus der Familie meines
Mannes mütterlicherseits. Mit einem entzückenden Engelchen als Griff. Sie stand
immer neben meinem Gedeck.«
    Es folgte die zwei hundertjährige Historie einer
mecklenburgischen Tischglocke, die beim großen Luftangriff auf Potsdam ums
Bimmeln gekommen war.
    Rieke hörte noch das Glöckchen, als sie die
Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg. Sie sah die alte Frau an ihrem ovalen
Mahagonitisch sitzen und läuten und zu derjenigen, die nicht hereinkam: »Elli,
Sie können abräumen« sagen.
     
    An diesem Tage packte sie ihre Koffer nicht mehr
aus, schaute sich auch ihre Post nicht an — ihr Bedarf an Neuigkeiten war
vorerst gedeckt.
    Nur Malinches Bild hängte sie so auf, daß sie es
von ihrem Bett aus sehen konnte.
    Sie kroch unter die Decke — zu müde, um
einzuschlafen. So etwas gab es.
    Dann setzte das Heimweh nach Bob ein. Es war
ganz schlimm.
     
    »Naa?« begrüßte sie Papke am nächsten Morgen.
»Biste drüben Braut jeworden?«
    »Nee, aber beinah Patentante«, sagte Rieke.
    »Laß dir mal besichtijen«, er nahm sie bei den
Schultern und drehte sie zum Fenster. »Hast ooch schon fröhlicha aus de Wäsche
jekiekt. War woll nischt drüben, wa?«
    »Doch«, sagte Rieke. »War viel zuviel.«
    »Ach so.« Papke begriff sofort. »Liebeskumma.«
    »Geht schon vorüber«, versicherte sie ihm und
sich selbst. »Geht bloß nicht von heut auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher