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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist
Autoren: Barbara Noack
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sahen sie ein junges
Mädchen sitzen. Es trug ein langes, handgewebtes Kleid und hatte den Kopf über
ein Buch geneigt. Offensichtlich lernte es Vokabeln.
    »Das könnte sie sein«, meinte Rieke. »Wenn sie
doch mal herschauen wollte.«
    »Kennst du sie?«
    »Nur von Fotos. — Kennt sie dich?«
    »Persönlich nicht«, sagte Bob, und so
schlenderten sie wie zufällige Touristen in die Galerie hinein.
    Das Mädchen sah auf und grüßte lächelnd.
    Bob fragte auf spanisch, ob sie sich ein bißchen
umsehen dürften. Das Mädchen nickte und kehrte zu ihren Vokabeln zurück.
    Sie schauten interessiert an den Bilderwänden
entlang und hatten doch nur das Mädchen im Auge.
    »Was meinst du?« fragte Bob, der noch zweifelte.
»Ganz bestimmt. Frag sie, ob sie die Tochter des Galeriebesitzers ist.«
    Sie trennten sich. Bob ging auf das Mädchen zu
und sagte etwas zu ihr. Sie lachten miteinander.
    Einmal schaute er zu Rieke herüber und nickte.
Es war Malinche.
    Als ob sie das nicht vom ersten Augenblick an
gewußt hätte.
    Das Gespräch zwischen den beiden wurde
intensiver und auch sachlicher im Ton. Bob zeigte auf ein Bild, das in einer
Nische hing. Malinche ging hin und nahm es ab. Sie betrachteten es von
verschiedenen Lichtwinkeln aus.
    Rieke erkannte von weitem nur so viel: Es handelte
sich um ein sitzendes Mädchen im Halbprofil.
    Malinche suchte unter ihrem Tisch nach
Packpapier und Schnüren. Bob leerte seine Brieftasche aus, rechnete, kam nicht
zurecht, stopfte alle Scheine zurück und stellte einen Scheck aus. Malinche sah
ihm dabei aufmerksam zu.
    Sie strahlte vor Freude über ihr
selbstgetätigtes Geschäft, als sie ihm das eingewickelte Bild reichte.
    Malinche brachte Bob und Rieke zur Tür. Beim
Verlassen der Galerie stießen sie mit einem großen, dunkelhäutigen Mann
zusammen. Er war etwa vierzig Jahre alt.
    Der Mann wechselte einen kurzen Blick mit Rieke.
Dann waren sie auf der Straße, und er war in den Laden hineingegangen.
    »Halt mich fest, Bob«, sagte Rieke.
    »Warum?«
    »Hast du den tollen Mann gesehen?«
    »Ja — natürlich.«
    »Ob das ihr neuer Freund ist?«
    »Blödsinn, das war ihr Vater.«
    »Niemals. So fabelhaft sehen keine Väter aus.«
    »Der schon. Auf dem Schreibtisch lag ein Katalog
mit seinem Foto.« Er grinste. »Willst du vielleicht noch mal zurückgehen?«
    »Ach, weißt du«, sagte Rieke, »für die kurze
Zeit, die ich noch hier bin, hatte ich eigentlich nicht die Absicht, dich gegen
einen anderen einzutauschen.«
    Sie gingen zu ihrem Wagen zurück.
    »Schade, daß sie das Baby nicht bei sich hatte.
Ich hätte es gern gesehen.«
    »Ich auch«, sagte Rieke beim Einsteigen. »Du
hast ein Bild gekauft.«
    »Ein Porträt von Malinche. Ich zeig’s dir
nachher. Es wird dir gefallen. — Aber der Kerl nimmt Preise wie Picasso!«
    »Warum hast du es dann gekauft?«
    »Ja, warum!? Ich hab’ mir gedacht, wenn ich
meiner Nichte schon nichts schenken kann...«
     
     
     
    Als sie über die steile Straße fuhren, die aus
dem Tal von San Miguel herausführte, schlug plötzlich das Lenkrad aus. Der
Wagen brach krachend auf Riekes Seite zusammen. Keiner von beiden sagte ein
Wort.
    Bob saß einen Augenblick lang über die Maßen
unlustig am Steuer. Dann stieg er aus und sah nach. Rieke beobachtete sein
Mienenspiel.
    »Na?«
    »Achsenbruch.«
    »Feierabend.«
    Er stieg wieder ein.
    Draußen hörten sie den Wind wehen und die
Stimmen spielender Kinder. Ein verhungerter Hund strich vorbei, aber sogar
Riekes Mitleid schlief.
    »Was sollen wir jetzt machen? Sag doch mal?
Glaubst du, hier ist irgendwo in der Nähe eine Werkstatt?« Und als er noch
immer schwieg: »Wie lange dauert denn so ‘ne Reparatur?«
    Bob hatte endlich einen Entschluß gefaßt. »Das
ist mir scheißegal«, versicherte er und räumte den Wagen aus. »Soll sich ein
anderer um ihn kümmern. Wir nicht. Den lassen wir hier stehn. Der soll
meinetwegen verrotten. Oder Isabella soll ihn holen lassen. Das geht uns alles
überhaupt nichts mehr an. Komm, Friederikus!«
    Sie hegte keinen Augenblick Zweifel an seinem
Entschluß. Sie fand ihn einfach fabelhaft.
    Es war, als ob sie eine lästige Verantwortung
auf den Müll geworfen hätten.
    Sie dackelten voller Frohsinn nach San Miguel
zurück. Rieke trug Malinches Bild, und Bob schleuderte ab und zu ihre beiden
Reisetaschen um sich herum.
    Dazu sang er aus vollem Hals:
    »Rieke
Birkow kommt von weit her,
    Rieke
Birkow, die kommt seither
    so
viel rum.
    Bob
will Rieke, nichts als Rieke...«
    Und
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