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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist
Autoren: Barbara Noack
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gezogen.«
    »...dann wären dir viele, viele Kilometer
erspart geblieben.«
    »Dann wäre ich dir erspart geblieben.«
    »Ja, das auch«, sagte Bob und zog Rieke zu sich
herüber. »Du sitzt viiiel zu weit entfernt von mir.«
    Im selben Augenblick tauchte am vorderen
Horizont ein Überlandbus auf und kurz hinter ihm ein Lastauto. Beide Fahrer
hupten zustimmend, als sie an Bob und Rieke vorüberfuhren.
    Nach mehrstündiger Fahrt durch einsames Hochland
erreichten sie die Universitätsstadt Guanajuato.
    Bob fragte sich nach dem Hotel durch, das
Isabella Taschners Bruder Enrique gehörte.
    Es handelte sich um einen Palast im
neomaurischen Stil mit einem Parkplatz, auf dem ein Zirkus samt Artistenwagen
Platz gefunden hätte. Zur Zeit graulte sich ein einziger Landrover aus New
Orleans auf ihm.
    Im Swimming-pool blühte Entengrütze, und als sie
die bombastische Empfangshalle betraten, schnupperten sie Moderluft.
    Die unaufhaltsam verwitternde Pracht regte Rieke
zu einem staunend gemurmelten »Au Backe« an.
    »Isabella hat mir gar nicht erzählt, um was für
ein florierendes Unternehmen es sich bei diesem brüderlichen Hotel handelt«,
sagte Bob.
    »Vielleicht ist gerade keine Saison.«
    »Glaubst du, daß in diesem Mausoleum jemals
Saison war?«
    »Glaubst du, daß Pepe sich hier aufhält?«
    »Platz hätte er genug.«
    »Aber Malinche und das Baby in dieser Gruft? Wo
frische Mütter so leicht Depressionen kriegen? Nein. Wenn du mich fragst, sie
sind nicht hier, nie hier gewesen. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer«, sagte
Rieke entschieden.
    In der Rezeption langweilten sich mehrere
Angestellte. Bob erkundigte sich nach einem Doppelzimmer. Wie erwartet, war das
Hotel nicht ausverkauft.
    Während er das Anmeldeformular ausfüllte, fragte
er beiläufig, ob der junge Señor Taschner aus Mexico City zufällig im Hause
weile oder ob er ausgegangen sei. Die Rezeptionssekretärin sagte etwas zu dem
Portier, der Portier sagte etwas zu einem Boy, der Boy sagte etwas zu Bob.
    »Was hat er gesagt?« fragte Rieke.
    »Wir sollen mitkommen.«
    Sie nahmen an, daß er ihnen ihr Zimmer zeigen
wollte. Es war ein weiter Weg. Alles in diesem Hotel war von größenwahnsinnigen
Ausmaßen, pompös umbauter Leerlauf.
    »Hier kriegen selbst die Ratten müde Füße«,
meinte Rieke.
    Der Boy öffnete eine Tür und ließ sie in einen
verdunkelten Raum eintreten: das Fernsehzimmer. Flackernde Lichter und
mexikanischer Männerstolz stürmten über den Bildschirm. Es handelte sich
offenbar um patriotische Historie.
    Aus einem der dunkellila TV-Sessel erhob sich
Pepe, der einzige Zuschauer, und sagte erfreut, aber ohne Verwunderung: »Da
seid ihr ja.«
    Rieke, die noch vor wenigen Minuten ihre Hand
dafür ins Feuer legen wollte, daß er nicht hier war, fiel ihm erleichtert um
den Hals. »Haben wir dich endlich gefunden.«
    Bob stellte inzwischen das TV-Drama ab und riß
die Vorhänge von den Fenstern.
    »Wie war die Fahrt?« fragte Pepe.
    »Du scheinst uns erwartet zu haben.« Die Ruhe in
Bobs Stimme war keine gute Ruhe.
    »Mama hat mich am Telefon auf euch vorbereitet.«
    »Sie weiß also, daß du hier bist.«
    »Ja, seit gestern.« Pepe beschwor sie im
gleichen Moment: »Aber Papa darf es nicht wissen!«
    »Einrique hat es ihm am Telefon gesagt.«
    »Das war Pech. Aber inzwischen hat er es
widerrufen.«
    »Wo warst du vorher?« fragte Bob.
    »In Puerto Vallarta, es hat pausenlos geregnet.
Da bin ich nach Guanajuato...«
    »Und Malinche? Und das Baby?« fragte Rieke.
»Sind die auch hier?«
    Pepe fühlte sich durch ihre direkten Fragen
angegriffen wie bei einem Verhör. Er mochte das nicht.
    »Nein, wieso fragst du?«
    »Reines Interesse«, sagte Bob. »Das steht uns,
glaube ich, zu.«
    »Wo ist Malinche?«
    »Bei ihrem Vater.«
    »Die ganze Zeit über?«
    »Ja.«
    »Das Baby auch?«
    »Ja. Ja, natürlich. Wo sonst?«
    Rieke war erschüttert. Sie ging ganz nah mit
ihrer Frage an Pepe heran. »Du bist überhaupt nicht mit ihr geflohen?«
    »Nein.« Jetzt schaute er verwundert. »Wie kommst
du denn darauf?«
    Bob und Rieke sagten eine Weile gar nichts. Sie
kamen sich so lächerlich vor. Von ihrer eigenen, besorgten Phantasie an der Nase
herumgeführt. Auf die Schippe genommen. Vor allem Rieke. Bob stellte
schließlich die interessante Frage: »Warum bist du dann überhaupt getürmt?«
    »Na, wegen dem Internat«, sagte Pepe. »Glaubt
ihr vielleicht, ich habe Lust, nach Deutschland zu gehen. Wenn ich verschwunden
bin, kann mich Papa nicht dazu
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