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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment
Autoren: Henri Loevenbruck
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Schmerz.

Zwölf
    W enn ich heute darüber nachdenke, bin ich immer noch erstaunt, dass es mir gelungen ist zu überleben. Nie zuvor habe ich jemanden so geliebt wie Sophie und ich werde wohl nie wieder jemanden so lieben können.
    Für lange Zeit drehte sich die Welt ohne mich weiter. Ich spielte keine Rolle mehr darin, ich war nicht einmal mehr ihr Zeuge.
    Ich war nur noch ein Wrack, stumm, blind und taub dämmerte ich in einem Sessel vor mich hin. Als ob der Sturz nie enden würde. Als ob diese Armlehnen aus Leder mich in einen Abgrund pressten, der sich über mir schloss.
    Ohne Estelle und François hätte ich meinem Leben ganz sicher ein Ende gesetzt. Mir fehlte lediglich die Freiheit, es zu tun. Nicht der Mut. Sie kümmerten sich um mich, wie um einen Mann, der sein Gedächtnis verloren hat und langsam ins Leben zurückkehrt. Ich tat nichts, um ihnen zu helfen. Ich griff nicht nach den Händen, die man mir reichte. Ich glaube sogar, dass ich sie nicht einmal wahrnahm. Ihre Liebe war die Zwangsjacke, die mich daran hinderte, mir die Pulsadern aufzuschneiden, basta.
    Jeden Tag sprachen sie mit mir. Sie versuchten, mich in die Welt der Lebenden zurückzuholen. Sie hielten mich auf dem Laufenden über die Entwicklung der Dinge. Als wollten sie mir Orientierungspunkte geben.
    Sie erzählten mir alles. Ich nahm die Informationen ohne das geringste Interesse auf und überhörte vermutlich die Hälfte.
    Man hatte mir später erklärt, wie sich die Schießerei auf dem Friedhof abgespielt hatte. Sophie hatte man mit einem glatten Genickschuss umgebracht. Sie war auf der Stelle tot gewesen, ohne zu leiden. Und mir wurde eine Kugel in die Brust geschossen, die aber an meiner kugelsicheren Weste abgeprallt war. Danke Badji, aber ich wäre lieber draufgegangen. Ich sagte es nicht, aber ich bin überzeugt, sie haben es alle in meinen Augen gesehen.
    Badjis Männern war es gelungen, zwei der Entführer zu schnappen und der Polizei auszuliefern. Die Untersuchung ergab, dass sie in Verbindung zu Acta Fidei standen. Eindeutig. Dann gab es umfangreiche Ermittlungen durch die Gendarmerie und die Polizei. Man kam zu dem Ergebnis, dass mein Vater und Claires Vater von denselben Typen ermordet worden waren, die Sophie erschossen hatten. Eine Gruppe von Fanatikern, die einer fundamentalistischen katholischen Organisation angehörten. Oder so etwas Ähnliches. Dank Chevaliers Verbindungen wurde mir während der Ermittlungen die Untersuchungshaft erspart, und die Fahndung seit meiner Flucht aus Gordes anstandslos eingestellt. Ein Psychiater hatte mich aufgesucht und erklärt, dass ich unter Schock stand und folglich nicht vernehmungsfähig war. Armer Kerl! Hast du Psycho studiert, um so was festzustellen?
    Aber man informierte mich weiterhin über alles. Eines Tages las mir François aus einer Zeitung die Erklärung des Vatikans vor, der Acta Fidei offiziell verurteilte.
    Die Organisation wurde aufgelöst. Ihre Verbindungen zu Opus Dei und zur Glaubenskongregation wurden jedoch kaum erwähnt. Es war alles zu dick aufgetragen, um wahr sein zu können. In diesem Land haben die Journalisten immer noch keinen Mumm.
    Der Priester aus Gordes schickte während der ersten Wochen auf seinem neuen Posten im Vatikan Briefe an François, um ihm aus nächster Nähe zu berichten, wie sich die Lage entwickelte. Wie in New York und Paris gab es auch in Rom viele Festnahmen, und intern sogar diskrete Versetzungen, aber nachdem der Fall in allen italienischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt hatte, geriet er in Vergessenheit. Auch der Priester aus Gordes konnte nicht mehr in Erfahrung bringen. Als er seine Vorgesetzten fragte, ob Acta Fidei für seine Versetzung verantwortlich sei, lachte man ihn aus, und er hatte nie mehr Gelegenheit, sich zu beklagen.
    Der Bilderberg wurde nicht ein einziges Mal namentlich in den Zeitungen erwähnt. François erfuhr jedoch, dass die abtrünnigen Mitglieder nach und nach festgenommen wurden, doch die Presse erwähnte keine dieser Festnahmen. Wie auch immer, die Presse schreibt nie über den Bilderberg. Niemals.
    Und selbstverständlich war nirgendwo die Rede vom Stein von Iorden und der verschlüsselten Botschaft Jesu. Man sprach lediglich von einem Interessenskonflikt zwischen meinem und Claire Borellas Vater und Acta Fidei, aber nie wurde erläutert, worin dieser Konflikt bestand.
    Die Botschaft Jesu. Der Schlüssel, der ihnen fehlte.
    Jeder einzelne meiner Weggefährten kam zu mir, um mir alles aus seiner Warte zu
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