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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe
Autoren: Dagmar Clemens
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Ninas Eltern? Der Gedanke war beinahe lächerlich. Sie kümmerten sich seit Jahren nicht mehr um ihre Tochter und wussten wahrscheinlich nicht einmal, dass sie in Irland war.
    Sie legte sich hin, sicher, dass sie keinen Schlaf finden würde. Erst der Stress mit Viktor, jetzt Tim. Aber sie schlief sofort ein.

3
    S ie wachte mit leichten Kopfschmerzen auf und fuhr eine Stunde früher ins Büro, weil sie so viel wie möglich noch erledigen wollte, bevor sie ihren Urlaub beantragte.
    Wie meistens war sie die Erste. Hastig ging Claire ihre Post durch und begann mit dem Protokoll der letzten Sitzung.
    Aber was würde sie tun, wenn Pessoa ihr keinen Urlaub gab? Zum Beispiel aus dienstlichen Gründen?
    Sie zwang sich zur Ruhe und legte sich Argumente zurecht. Sie würde sagen, ihr Bruder sei ins Krankenhaus gekommen und sie müsse sofort zu ihm. Da konnte er ihr den Urlaub eigentlich nicht verweigern.
    Sie speicherte die fertiggestellte Datei im allgemeinen Ordner ab, auf den jeder in der Abteilung Zugriff hatte. Wenn Pessoa ihr den Urlaub verweigerte, würde sie einfach sagen, er läge auf der Intensivstation und es ginge ihm sehr schlecht.
    Sie öffnete ein neues Dokument für die schriftliche Übergabe.
    Und wenn er sich dann immer noch sperrte? Ihr linkes Auge zuckte. Notfalls würde sie anfangen zu weinen. Da wurden die meisten Männer schwach.
    Nervös machte sie die letzte Statistik fertig, verrechnete sich zweimal und speicherte auch diese ab.
    Patricia kam mit der üblichen Verspätung von dreißig Minuten. Anfangs waren es nur fünfzehn Minuten gewesen, sie schien sich ihrer Sache sehr sicher zu sein.
    Eine weitere Stunde später kam Conrad Pessoa, der ihr und Patricia nur stumm zunickte und in seinem Büro verschwand. Nach fünf Minuten ging Patricia zu ihm, mit einem selbstgefälligen Lächeln auf dem Gesicht. Aber höchstens eine Minute später kam sie wieder mit nach unten gezogenen Mundwinkeln hinaus.
    Claire wartete noch zehn Minuten, dann atmete sie einmal tief durch, ging an der Sekretärin vorbei und klopfte an seine Tür. Ein mürrisches »Herein.« Er saß hinter seinem Schreibtisch, den Blick auf den Bildschirm gerichtet.
    »Was gibt es?«, fragte er kurz.
    »Ich wollte um Urlaub bitten«, begann sie. »Aus familiären Gründen.«
    Sie musste wieder an ihre Eltern denken, die kurz nach Tims achtzehntem Geburtstag nach Kanada auswanderten, um sich dort etwas aufzubauen, wie sie es nannten. Von einem Tag auf den anderen gaben sie jede Verantwortung für ihre Kinder ab.
    »Was heißt das? Familiäre Gründe?«, fragte er, ohne aufzusehen.
    In seinem Haar befand sich noch ein Klecks Gel, den er nicht richtig verrieben hatte.
    »Es geht um meinen Bruder. Er ist krank und ich muss zu ihm. Wenn es geht, schon morgen.«
    Tim brauchte sie wirklich.
    »Was hat er denn?«
    Er sah endlich hoch.
    Sie musste darauf nicht antworten, es ging ihn schließlich nichts an. Aber wenn er ihr den Urlaub nicht genehmigte, konnte sie nicht fahren.
    »Er ist krank«, sie überlegte fieberhaft. »Tuberkulose. Ich muss sofort zu ihm. Wahrscheinlich muss ich ihn wieder in die Schweiz bringen. Wie beim letzten Mal.«
    Es hörte sich unglaublich an. Aber sie hatte noch nie gut lügen können.
    »In die Schweiz?«, er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück.
    »Das ist aber ganz schön teuer.«
    Das sagte ausgerechnet er, der selbst ein teures Coupé fuhr.
    »Nun, vielleicht muss er wieder ins Sanatorium, das weiß ich aber noch nicht. Ich muss zuerst mit seinem Arzt sprechen. Bekomme ich den Urlaub?«
    Er zögerte einen Moment und sie dachte, dass sie notfalls kündigen könne. Aber dann nickte er gnädig.
    »Von mir aus. Aber Sie müssen mit Patricia eine Übergabe machen.«
    »Ja, natürlich. Ich möchte meinen Resturlaub nehmen, drei Wochen. Ist das in Ordnung?«
    »Drei Wochen? So viel Urlaub haben Sie noch?«, fragte er.
    Wieso wusste er das nicht? Er kontrollierte doch so gerne die Zeitkonten der Mitarbeiter.
    »Ja, und ich möchte ihn komplett antreten. Dann kann ich auch alles erledigen, was nötig ist.«
    Er musterte sie und sie hielt seinem Blick stand.
    »Na, gut. Patricia kann Sie vertreten. So viel ist es ja nicht.«
    Er wollte sie beleidigen. Sie sah das übliche spöttische Funkeln in seinen Augen. Aber sie sah auch seine Hand auf Patricias Hinterteil und unterdrückte ein Grinsen. Sie würde ihn nie wieder ernst nehmen können.
    Sie gab Patricia das Übergabeprotokoll, das diese nur unwillig
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