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Komm her, Kleiner

Komm her, Kleiner

Titel: Komm her, Kleiner
Autoren: Lola Lindberg
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Zum ersten Mal im ZDF
     
    „Wie meinst du das?“, frage ich, ernsthaft entgeistert. Ich hatte mit einigem gerechnet – damit nicht. „Carsten Spengemann spielt Othello?“
    „Yup“, macht Karen. „Carsten Spengemann spielt Othello.“
    „Aber der ist doch nicht mal schwarz!“
    „Der ist ja noch nicht mal Schauspieler.“ Karen schüttelt seufzend den Kopf. „Oder sagen wir mal: Keiner, dem man Shakespeare zutrauen würde. Aber sein Agent meint, er will einen radikalen Imagewechsel. Und deswegen spielt er jetzt Shakespeare. Am Theater in Berlin. Was natürlich bedeutet …“
    „… dass er nicht bei uns in München die Hosen runterlässt?“
    Karen nickt. „Genau.“
    „Schöne Scheiße“, sage ich. Und stöhne. Dreimal laut, lang und tief. Das hat mir meine Oma beigebracht: Wenn du stöhnst, dann geht’s dir besser. Einmal für alle verdammten Telefonanrufe der letzten Woche. Mmmmmmm. Einmal, weil ich mich selbst in diese dämliche Situation gebracht habe.  Mmmmmmmmmm. Und einmal auch noch für Carsten Spengemann. Mmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm.
    Tatsächlich: Oma behält ein weiteres Mal recht. Ich merke, wie ich mich entspanne. „Also dann“, seufze ich, „weiter geht’s.“
    „Muss ja“, grinst Karen. Sie kennt das mit meiner Stöhnerei schon.
    Ich greife nach der alten Bravo, die vor mir auf dem Schreibtisch liegt, und lasse sie seufzend in den Papierkorb fallen. Dann besinne ich mich eines Besseren, hole sie wieder raus und stecke sie in meine Tasche. Immerhin gehört das Heft Kai, meinem Bruder. Meinem schwulen Bruder, wie ich noch anmerken sollte, denn es gibt wohl wenig Heterosexuelle, die die Bravo -Ausgabe 7/2000 für ein Sammlerstück halten, weil sich Carsten Spengemann darin nackt präsentiert. Allerdings ohne Einblick auf das Spengemännchen, was Kai eigenen Aussagen folgend sehr schade findet. Natürlich besitzt mein Bruder auch dieAusgabe, in der die berühmten Paparazzobilder von Brad Pitt abgedruckt sind, aber die würde er mir niemals leihen. Was ich nicht ganz verstehen kann – denn Brad ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein kleiner Schwanz auch an einem großen Star nicht besser aussieht als zum Beispiel an Heiner Stolz, einem unsäglichen One-Night-Stand, den ich mal … aber das würde zu weit führen. Und außerdem brauche ich keine kleinen Schwänze, weder im normalen Leben noch jetzt. Ich brauche einen großen. Möglichst einem prominenten. Und kamerascheu sollte er auch nicht sein.
    Karen hat sich inzwischen hinter ihrem Schreibtisch hochgestemmt und ist zur Tür gegangen. „Ich brauche jetzt erst mal einen Kaffee“, sagt sie. „Willst du auch einen?“
    „Keine Frage! Double Latte. Bist ’n Schatz!“
    „Und dazu ein Croissant?“ Was diese Frau für ein fieses Lächeln aufsetzen kann.
    „Du kannst mich mal“, knurre ich, während mein Magen – und größere Teile meiner Seele – sich bitterlich beschweren. Ein Croissant wäre der Himmel. Zwei sogar einige Jahre im Fegefeuer wert. Allerdings hat schon ein Bissen mehr Kalorien als manche vollwertige Zwischenmahlzeit, und da mein persönliches Fegefeuer „Kleidergröße 40“ heißt – von der ich gerade auf eine glücksverheißende 38 zu kommen versuche –, heißt es: Pas de Croissant. Je veut Magermilchquark mit Süßstoff. Ist ja auch ganz lecker, irgendwie.
    „Gutes Mädchen. So tapfer!“ Karen lacht und verschwindet aus meinem Büro. Besser wäre es natürlich, ich könnte sagen, dass sie mich allein lässt – aber das bin ich nicht. Schließlich habe ich, von der Kleidergrößenthematik einmal abgesehen, ein drängendes Problem. Und der einzige tröstliche Gedanke ist, dass man dann nie ganz allein ist. Alles mag einen verlassen – Probleme bleiben.
    Eigentlich habe ich keinen Grund, um mich zu beschweren. Es geht mir gut: Ich bin gesund, sehe nett aus, musste das Rauchen nie aufgeben, weil ich erst gar nicht damit angefangen habe, und konnte dank Weight Watchers meinen Weihnachtsspeck innerhalb weniger Wochen erfolgreich minimieren. Meine Hüften haben lediglich noch eine Rundung zu viel. „Rundung“ klingt besser als „Speckschicht“, und wenn man seine Probleme positiv benennt, dann hat man sie schon ein bisschen in den Griff bekommen. Das hat mir Hans beigebracht, ein recht gutaussehender Soziologiestudent, dem bei den wöchentlichen WW- Treffen immer alle Frauenherzen zugeflogen sind. Er war der Held aller Wohl- und Wohlwohlgerundeten, denn er hat über fünfundzwanzig Kilo verloren und
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