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Das irische Erbe

Das irische Erbe

Titel: Das irische Erbe
Autoren: Dagmar Clemens
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nichts daran ändern.

    Sie sah sich um. So ungefähr stellte sie sich ein schickes Büro vor. Höhenverstellbare Schreibtische, orthopädische Stühle mit Tiefenfederung, Flachbildschirme. Viel Licht, das durch große Fenster einfiel, verstellbare Jalousien, um die Sonne abzuhalten. Zwei Palmen, die dem Raum einen mediterranen Anstrich gaben.
    Und alle waren sehr freundlich, wie die junge Frau am Empfang, die sofort vorschlug, sie solle ihre Unterlagen doch persönlich beim Personalleiter abgeben. Genau das war ihr Ziel gewesen. Deshalb hatte sie sich nicht per E-Mail beworben, sondern eine altmodische Bewerbungsmappe zusammengestellt.
    Nach der Arbeit fuhr sie zu der Firma, die verschiedene chemische Produkte herstellte und weiter expandieren wolle, wie es in der Anzeige hieß.
    Und nun sollte sie ein erstes Vorstellungsgespräch führen.
    Der Personalleiter kam auf sie zu, lächelte und sagte: »Sie haben Glück gehabt. Eben ist ein Termin geplatzt.«
    Er nahm sie mit in sein Büro und begann von der Firma zu sprechen, die er mit aufgebaut habe und die innerhalb der nächsten zehn Jahre den ganzen europäischen Raum beliefern sollte. Sie hörte aufmerksam zu, konnte einige interessierte Fragen stellen und verabschiedete sich eine Stunde später mit einem guten Gefühl. Wenn das klappte!

    Den Entschluss, sich beruflich zu verändern, fasste sie spontan nach dem letzten Affront ihres Chefs. Er hatte kurzfristig eine Sitzung mit den Abteilungsleitern angesetzt. Sie wunderte sich darüber, kümmerte sich aber nicht weiter darum, bis Patricia in der Tür erschien.
    »Sie sollen auch dazukommen«, sagte sie kurz. »Und was zum Schreiben mitbringen.«
    Claire nahm sich einen Block und einen Kugelschreiber und ging in den am anderen Ende des Ganges liegenden Konferenzraum. Die Tür stand offen, sie grüßte und setzte sich. Einer der Abteilungsleiter, ein schon älterer mit beginnender Glatze, zwinkerte ihr zu. Er war der einzige, der ihr gegenüber zugab, dass er den neuen Chef nicht mochte. Die anderen hielten sich bedeckt.
    »Guten Morgen«, Conrad Pessoa trat ein und schloss die Tür hinter sich. Allgemeines Gemurmel.
    Pessoa hielt keine lange Vorrede, sondern kam sofort zur Sache. Der Vorstand hatte eine Unternehmensberatung mit der Überprüfung der Geschäftsstrukturen beauftragt. Alles schwieg. Ziel war die Zusammenlegung verschiedener Abteilungen. Jeder wusste, was das bedeutete.
    Pessoa handelte nacheinander alle Punkte ab, die er auf seinem Zettel notiert hatte. Seine Stimme war monoton und Claire gab sich ihren Gedanken hin. Bereits zweimal waren externe Unternehmen mit einer Überprüfung beauftragt worden. Jedes Mal waren die Änderungsvorschläge langfristig nicht zu verwirklichen gewesen. Dick Rogers hielt überhaupt nichts von Beratern. Sie glaubte auch nicht, dass Fremde sich wirklich ein Bild von einer Firma machen konnten.
    Pessoa sprach immer noch, jetzt sogar ohne Vorlage. Das Thema schien ihm zu gefallen.
    Einmal hob einer der Abteilungsleiter den Arm, aber Pessoa winkte ab und sprach weiter. Erst nach einer weiteren Viertelstunde kam er zum Ende und blickte in die Runde.
    »So, jetzt können Sie Ihre Fragen stellen«, sagte er und in Claires Richtung: »Frau Sammers, würden Sie uns bitte noch eine Kanne Kaffe machen?«
    Das war eine Unverschämtheit. Für Kaffee war Patricia zuständig, die als Sekretärin für sie und Conrad Pessoa angestellt war und ungenießbaren Kaffee aufbrühte. Pessoa wollte sie bewusst vor den anderen bloßstellen. Das wusste sie und er wusste, dass sie es wusste.
    Er räusperte sich und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Sie fasste einen Entschluss, sagte aber nur: »Ja, mache ich.«
    Dann verließ sie den Raum. Patricia telefonierte gerade. Sicher privat.
    Sie kehrte mit einer vollen Kanne zurück. Pessoa sprach wieder, aber er hatte nicht mehr die volle Aufmerksamkeit der Mitarbeiter. Zehn Minuten später war die Sitzung beendet. Den Kaffee hatte niemand angerührt.
    Noch am selben Abend schrieb sie ihre Bewerbung.
    Am nächsten Tag wurde Claires Hochgefühl wieder gedämpft. Eigentlich wollte sie früher Schluss machen. Die Unterlagen auf ihrem Schreibtisch waren nicht gerade einladend. Lauter trockene Zahlenkolonnen.
    Sie stützte den Kopf in die Hand und versuchte sich ihre neue Arbeit vorzustellen. Ein etwas größeres Büro, gleitende Arbeitszeit natürlich, ein charmanter Chef. Den anderen Mitarbeitern, die sie nach dem Vorstellungsgespräch kurz
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