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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
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Obstbäume, von schwellenden Früchten beschwert, tief herab. Unter der Hitze verströmte das Land süße Düfte. Sie kauerte sich an den Rand des Teiches, wo die Grasnarbe abbrach. Im stillen, klaren Wasser blinkten Kieselsteine. Hier, von ihrem Versteck aus, vermochte sie nur noch die Binsen zu sehen und die Wipfel der hohen Buchen auf den fernen Hügelhängen.
    Im Bach sprang ein Fisch. Sie erschrak, horchte, doch schon war es wieder still geworden. Trotzdem lauschte sie noch eine Weile mit klopfendem Herzen. Dann lupfte sie das schwere, schwarze Kleid und den Unterrock und zog beides mit flinker Hand über den Kopf. Nackt und weiß stand sie im Sonnenlicht.
    Schon im nächsten Moment stieg sie ins Wasser. Sie schnappte unwillkürlich nach Luft, weil es so kalt war. Wie sie diesen Moment des Schauderns liebte. Sie watete tiefer in den Teich hinein und tauchte unter, ließ sich vom Wasser tragen und genoss das erfrischende Bad mit all ihren Sinnen. Sie schloss die Augen, spürte die Sonne warm und hellrot auf den Lidern. Wie im Himmel fühlte sie sich. Dann suchte sie mit den Füßen Halt auf dem Kieselgrund, beugte die Knie, sodass nur der Kopf aus dem Wasser ragte, und schlug die Augen auf, um zu sehen, ob nicht doch jemand nahte. Hier zu baden war eine heimliche, verruchte Lust. Eine Sünde.
    Sie hatte irgendwann gelernt zu schwimmen und konnte sich, etwas unbeholfen mit den Armen paddelnd, vorwärtsbewegen, quer durch den Teich und bis zur Mündung des Baches, von dessen Strömung sie sich dann zurücktreiben ließ. Das war ihre Sünde, Lust und Schande. Oben im Himmel kratzte die Schreibfeder über eine Seite des großen Buches.
    Noch vor drei Jahren war ihr dieses geheime Vergnügen wie ein unbeschreiblicher Frevel vorgekommen, wie kindlich mutwillige Gotteslästerung. So erschien es ihr auch heute noch. Sie konnte sich nichts vorstellen – jedenfalls nichts, was als Gedanke zu ertragen gewesen wäre –, das ihren Vater mehr entsetzt hätte als ihre Blöße. Und darum verstand sie ihr Bad im Teich nicht zuletzt auch als eine Geste der Auflehnung gegen Matthew Slythe, obwohl ihr klar war, dass es nur eine ohnmächtige Geste war, dass sie sich dem gestrengen Vater letztlich würde fügen müssen.
    Sie war jetzt zwanzig und würde in knapp drei Monaten einundzwanzig Jahre alt sein. Ihr Vater machte sich, wie sie wusste, Gedanken über ihre Zukunft. Er betrachtete sie in letzter Zeit mit einer grüblerischen Mischung aus Verärgerung und Widerwillen. Schon bald würde sie nicht mehr wie ein geschmeidiger, bleicher Otter ins Wasser gleiten können. Ihre Tage am Teich waren gezählt. Eigentlich hätte sie schon längst, seit drei oder vier Jahren, verheiratet sein sollen. Matthew Slythe sorgte sich darum, was aus ihr werden sollte. Und sie fürchtete ihren Vater. Sie versuchte, ihn zu lieben, aber leicht machte er es ihr nicht.
    Sie stand jetzt im flachen Wasser. Die Tropfen perlten an ihr ab, und die Haare klebten kalt und feucht auf ihrem Rücken. Mit den Händen streifte sie die Nässe von den Brüsten, von den Hüften. Sie spürte die Sonne auf ihrem Leib brennen und streckte beide Arme aus, sie genoss das erregende Gefühl von Freiheit, die Wärme auf der Haut und das Wasser, das ihre Beine umspülte. Wieder sprang ein Fisch.
    Und noch einmal. Als es ein drittes Mal platschte, wusste sie, dass es kein Fisch sein konnte. Diese Sprünge waren zu regelmäßig. Sie bekam es mit der Angst zu tun, eilte ans Ufer und riss Unterrock und Kleid aus dem Korb. Sie zog sich die Sachen über den feuchten Kopf, zerrte, in Panik geraten, den steifen Stoff über Hüften und Beine.
    Erneut spritzte Wasser auf, ganz in ihrer Nähe. Sie hatte ihre Blöße inzwischen bedeckt, sah aber noch sehr zerzaust aus. Schnell zog sie die feuchten Haare unter dem Kragen hervor und setzte sich auf den Boden, um die Strümpfe anzuziehen.
    «Dryade, Hamadryade oder Nymphe?» Die Stimme, die vom Wasser heraufdrang, unterdrückte offenbar nur mit Mühe ein Lachen.
    Sie sagte nichts. Sie zitterte vor Angst. Die feuchten Haare verdeckten ihr die Sicht.
    «Ihr müsst eine Nymphe sein, der Geist dieses Baches.»
    Mit einer schnellen Bewegung wischte sie sich die Haare aus der Stirn. Ihr Blick fiel auf einen lächelnden jungen Mann mit dunkelroten Locken, die anscheinend kaum zu bändigen waren. Er stand in merkwürdig gebückter Haltung im Bach und hatte die Arme bis zu den Ellbogen eingetaucht. Sein weißes Hemd war aufgeknöpft und steckte im
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