Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
Vom Netzwerk:
waren, der den Puritanern den Spitznamen «Rundköpfe» eingebracht hatte, beobachtete jeden ihrer Schritte. Zum Zeichen ihrer Anerkennung nickte Goodwife Baggerlie ihm zu, was er mit einer angedeuteten Verbeugung quittierte. Obwohl erst neunzehn Jahre alt, machte er einen sehr viel älteren Eindruck. Er war verbittert wie sein Vater und voller Neid auf seine Schwester.
    Campion ging auf das Arbeitszimmer ihres Vaters zu. Vor der Tür legte ihr Goodwife Baggerlie die Hand auf die Schulter und zwang sie in die Knie, wie immer bei solchen Anlässen. Dann klopfte sie an.
    «Herein!»
    Der Ablauf folgte stets demselben Ritual. Nach der Strafe kam Vergebung, nach dem Schmerz das Gebet. Wie vom Vater befohlen, kroch sie auf Händen und Knien ins Zimmer. Goodwife Baggerlie schloss die Tür hinter ihr.
    «Komm her, Dorcas.»
    Sie kroch auf seinen Stuhl zu. Sie fügte sich ihrem Vater, obwohl sie voller Hass auf ihn war, ihr blieb keine andere Wahl.
    Er legte ihr seine großen Hände auf die enge Haube. Sie erschauderte.
    «Himmlischer Vater! Allmächtiger Gott!» Er hielt weiter ihren Kopf fest. Seine Stimme schwoll an, als er Gott darum bat, dass er ihm seine Tochter verzeihen möge, dass er sie läutere und von ihren Sünden befreie. Mit jedem Wort drückte er mit den Fingern fester zu. Er schüttelte ihren Kopf und versuchte mit krampfhaftem Eifer Gott davon zu überzeugen, dass Dorcas seiner Gnade bedürfe. Als er sein Gebet gesprochen hatte, lehnte er sich erschöpft zurück und hieß sie aufstehen.
    Er hatte ein kräftiges, knochiges Gesicht, das voller Ingrimm und Abscheu war. «Du bist eine große Enttäuschung für mich, Tochter», knurrte er mit tiefer Stimme.
    «Ja, Vater.» Sie stand auf und senkte den Kopf. Sie hasste ihn. Weder er noch ihre Mutter hatten sie jemals in den Arm genommen, geschweige denn liebkost. Sie hatten sie geschlagen und um sie gebetet, von elterlicher Zuneigung aber nichts erkennen lassen.
    Matthew Slythe legte seine rechte Hand auf die Bibel. Er atmete schwer. «Durch die Frau ist die Sünde in die Welt gekommen, Dorcas, und an dieser Schuld hat sie zu tragen. Die Blöße einer Frau ist ihre Schande und ein Ärgernis Gottes.»
    «Ja, Vater.»
    «Sieh mich an!»
    Sie hob den Blick. Sein Gesicht war von Abscheu entstellt.
    «Wie konntest du nur?»
    Sie fürchtete, wieder geschlagen zu werden, hielt aber still.
    Er öffnete die Bibel und schlug die Sprüche Salomos auf. «‹Denn um einer Hure willen kommt ein Mann herunter bis auf einen Laib Brot.›» Er blätterte um. «‹Ihr Haus ist der Weg in die Hölle, da man hinunterfährt in des Todes Kammern.›» Er sah sie an.
    «Ja, Vater.»
    Er grollte. Sooft er sie auch geschlagen hatte, es war ihm nicht gelungen, sie zu bändigen, und das wusste er. Er sah den Widerstand in ihrer Seele und ahnte, dass er ihn nicht würde brechen können. Aber er gab nicht auf. «Du wirst bis morgen Abend Kapitel sechs und sieben der Sprüche auswendig lernen.»
    «Ja, Vater.» Sie konnte beide Kapitel bereits auswendig aufsagen.
    «Und du wirst um Verzeihung bitten, um Gnade und um Erleuchtung.»
    «Ja, Vater.»
    «Geh jetzt.»
    Ebenezer saß immer noch im Wohnzimmer. Er sah sie an und grinste. «Hat’s wehgetan?»
    Sie blieb vor ihm stehen. «Ja.»
    Seine Hand lag auf der aufgeschlagenen Bibel. Er grinste immer noch und sagte: «Er weiß es von mir.»
    Sie nickte. «Das habe ich mir gedacht.» Sie hatte ihren Bruder immer zu lieben und ihm die Zuneigung entgegenzubringen versucht, die ihr selbst vorenthalten geblieben war. Doch während sie ihn, den kleinen, schwachen, verkrüppelten Bruder, stets in Schutz genommen hatte, war sie von ihm immer abgelehnt worden.
    «Du widerst mich an, Dorcas», sagte er. «Du gehörst nicht in dieses Haus.»
    «Gute Nacht, Ebenezer.» Langsam schleppte sie sich die Treppe hinauf. Ihr Rücken schmerzte, aber fast noch schlimmer waren für sie der Schrecken und die Trostlosigkeit, die von Werlatton Hall ausgingen.

    Als Matthew Slythe wieder allein war, betete er, er betete in einer so aufgebrachten, verkrampften Weise, als fürchtete er, Gott könne eine ruhig vorgetragene Bitte nicht hören.
    Er empfand Dorcas als Fluch. Durch sie war ihm zwar ein unermessliches Vermögen zugefallen, aber sie erwies sich als das, was er schon befürchtet hatte, als ihm der Reichtum angeboten worden war: als ein Kind der Sünde.
    Dass sie nicht wirklich schlecht war, das sah Matthew Slythe nicht. Er sah nur ihre Sündhaftigkeit, die darin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher