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Das Hexen-Amulett (German Edition)

Das Hexen-Amulett (German Edition)

Titel: Das Hexen-Amulett (German Edition)
Autoren: Susannah Kells
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niemand zu sehen. Sie streifte die Strümpfe über, stieg in die Schuhe, band sich die Schürze um und richtete ihr Kleid.
    Toby machte ihr keine Angst. Er brachte sie vielmehr zum Lachen. Noch nie hatte sie jemanden kennengelernt, mit dem sich so unbeschwert reden ließ. Da ihr Vater fort war, konnte sie sich Zeit lassen, und so plauderten die beiden den ganzen Nachmittag miteinander. Toby lag auf dem Bauch und erklärte, dass er den Krieg schrecklich finde und lieber für den König kämpfen würde als an der Seite seines Vaters. Als er das sagte, ging ihr ein kalter Schauer durch und durch. Doch er lächelte und fragte neckend: «Ihr würdet den König wohl eher nicht unterstützen, oder?»
    Sie sah ihn an. Ihr Herz klopfte laut. Sie lächelte scheu zurück. «Vielleicht.»
    Insgeheim dachte sie: Für Euch würde ich womöglich die Gefolgschaft aufgeben, zu der ich erzogen worden bin.
    Sie war ein puritanisches, von der Welt abgeschirmtes Mädchen und hatte sich noch nie weiter als vier Meilen von ihrem Elternhaus entfernt. Sie war geprägt von der harschen Moral und der zornigen Religion ihres Vaters, der zwar darauf bestanden hatte, dass sie lesen lernte, aber auch nur, damit sie in der Heiligen Schrift ihren Heilsweg fände. Davon abgesehen war sie ungebildet, das heißt, sie wurde in Unwissenheit gehalten, denn die Puritaner fürchteten das Wissen um die Welt und deren verführerische Kräfte. Doch nicht einmal Matthew Slythe vermochte der Phantasie seiner Tochter Zügel anzulegen. Er konnte für sie beten, sie schlagen und bestrafen, nicht aber in ihre Träume eingreifen, sosehr er auch danach trachtete.
    Zwischen ihr und Toby, das würde sie später sagen, war es Liebe auf den ersten Blick.
    Und das war es wohl auch, zumindest in dem Sinne, dass sie plötzlich ein starkes Bedürfnis empfand, Toby Lazender näher kennenzulernen und mehr Zeit mit diesem jungen Mann zu verbringen, der sie zum Lachen brachte und ihr das Gefühl gab, etwas Besonderes zu sein. Sie hatte bisher ein sehr zurückgezogenes und farbloses Leben geführt und sich deshalb die Welt jenseits des väterlichen Landsitzes überaus bunt und fröhlich vorgestellt. Jetzt war plötzlich ein Gesandter dieser Welt zu ihr vorgedrungen, der ihr ein großes Glücksgefühl vermittelte. Sie verliebte sich noch am Ufer des Baches in ihn, er war, von diesem Augenblick an, der Mittelpunkt aller ihrer Träume.
    Er wiederum sah ein Mädchen, das so schön war wie kein anderes. Ihre Haut war hell und klar, sie hatte blaue Augen, eine gerade Nase und volle Lippen. Als ihre Haare getrocknet waren, fielen sie ihr wie gesponnenes Gold über die Schultern. Er spürte eine Kraft in ihr, die so durchdringend schien wie fein geschmiedeter Stahl, doch als er sie fragte, ob er wiederkommen könne, schüttelte sie den Kopf. «Mein Vater würde es nicht erlauben.»
    «Brauche ich denn seine Erlaubnis?»
    Sie lächelte. «Ihr vergreift Euch an seinen Fischen.»
    Er sah verwundert auf. «Ihr seid Slythes Tochter?»
    Sie nickte.
    Toby lachte. «Gütiger Himmel! Eure Mutter muss ein Engel gewesen sein.»
    Sie lachte. Martha Slythe war eine dicke, rachsüchtige und verbitterte Frau gewesen. «Nein.»
    «Wie heißt Ihr?»
    Unvermittelt wurde ihre Miene ernst, und sie sah ihn mit traurigen Augen an. Der eigene Name war ihr verhasst; sie mochte ihn nicht preisgeben aus Sorge, er könnte wegen des hässlichen Namens weniger von ihr halten. Plötzlich wurde ihr schmerzlich bewusst, dass sie ihn nie wiedersehen durfte. Ihr Name ging ihn nichts an.
    Er war hartnäckig. «Verratet ihn mir.»
    Sie zuckte mit den Achseln. «Es kann Euch doch gleichgültig sein, wie ich heiße.»
    «Das ist es aber nicht!», rief er. «Gleichgültig sind mir der Himmel, die Sterne und mein Abendbrot, aber nicht Euer Name. Verratet ihn mir.»
    Sie lachte über seinen Überschwang. «Ihr wollt ihn gar nicht wissen.»
    «Und ob! Sonst müsste ich mir einen Namen für Euch ausdenken.»
    Lächelnd schaute sie über den Bach hinweg. Sie war verlegen. Ein von ihm ausgedachter Name wäre womöglich noch weniger schön als ihr wirklicher Name. Ohne ihn anzusehen, sagte sie: «Ich heiße Dorcas.»
    Sie hatte damit gerechnet, dass er laut auflachte, doch es blieb still. Sie wandte sich ihm mit trotziger Miene zu. «Dorcas Slythe.»
    Er schüttelte den Kopf, bedächtig und ernst. «Ich denke, wir sollten Euch einen neuen Namen geben.»
    Sie hatte gewusst, dass er ihren Namen schrecklich finden würde.
    Toby warf
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