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Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Titel: Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)
Autoren: Carson McCullers
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ein Taschentuch heraus und begann den Zipfel aufzuknüpfen, in dem sie ihr Geld aufbewahrte. Als sie dem Knoten einen Ruck gab, klimperte das Kleingeld auf den Boden und rollte zu Blount hin, der jetzt stehend vor sich hinbrummelte. Einen Augenblick starrte er geistesabwesend auf die Münzen, aber bevor die Kleine sie aufsammeln konnte, riss er sich zusammen, ging in die Knie und hob das Geld auf. Schwerfällig ging er zur Theke, blieb dort stehen und schob die zwei Pennys, das Fünfcentstück und das Zehncentstück auf seiner Handfläche hin und her:
    »Siebzehn Cent kosten die Zigaretten jetzt?«
    Biff wartete, und Mick sah vom einen zum anderen. Der Betrunkene stapelte die Geldstücke auf der Theke und legte schützend seine schmutzige Pranke darum. Dann hob er bedächtig einen Penny auf und knallte ihn auf die Theke.
    »’n halben Cent für die armen weißen Schlucker, die das Kraut anbauen«, sagte er, »und ’n halben Cent für die Trottel, die die Zigaretten drehn. Und einen ganzen Cent für dich, Biff.« Dann versuchte er, die beiden anderen Münzen zu fixieren, um die Aufschrift zu lesen, dabei spielte er weiter mit ihnen und drehte sie im Kreis. Schließlich stieß er die Münzen beiseite. »’ne mickrige Huldigung ist das für die Freiheit. Für die Demokratie und die Tyrannei. Für Bürgerrechte und Ausbeuterei!«
    Biff nahm ruhig das Geld und ließ es in die Kasse klingeln. Mick schien noch etwas herumstehen zu wollen. Eine Weile musterte sie den Betrunkenen, dann wanderten ihre Augen zur Mitte des Raumes, wo der Taubstumme allein an seinem Tisch saß. Bald darauf blickte auch Bount ab und zu dorthin. Der Taubstumme saß still bei seinem Glas Bier und malte träge mit einem abgebrannten Streichholz auf der Tischplatte herum.
    Wieder brach Jake Blount das Schweigen: »Komisch, den Kerl da hab ich die letzten drei, vier Nächte im Traum gesehn. Der will und will mich nicht in Ruhe lassen. Ist dir auch aufgefallen, dass er nie was sagt.«
    Biff sprach selten mit einem Gast über einen anderen. »Sieht ganz so aus«, antwortete er zurückhaltend.
    »Komisch.«
    Mick trat von einem Fuß auf den anderen und stopfte sich das Zigarettenpäckchen in die Hosentasche. »Gar nicht komisch, wenn man ihn besser kennt«, sagte sie. »Mister Singer hat ein Zimmer bei uns, er wohnt in unserem Haus.«
    »Tatsächlich?«, fragte Biff. »Soso – das wusste ich nicht.«
    Mick ging zur Tür und antwortete, ohne sich umzusehen: »Klar. Schon seit drei Monaten.«
    Biff rollte seine Hemdsärmel herunter und krempelte sie dann sorgfältig wieder hoch. Er schaute Mick hinterher. Auch als sie längst verschwunden war, fummelte er immer noch an seinen Ärmeln herum und starrte auf den leeren Eingang. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und wandte sich wieder dem Betrunkenen zu.
    Blount lehnte schwer am Tresen. Aus großen feuchten braunen Augen starrte er benommen vor sich hin. Er hatte lange nicht gebadet und stank wie ein nasser Hund. Auf seinem verschwitzten Hals perlten schmutzige Tropfen, und auf seinem Gesicht war ein Ölfleck. Seine Lippen waren rot geschwollen, und das braune Haar klebte ihm an der Stirn. Da sein Overall im Schritt zu eng war, zupfte er dauernd daran herum.
    »Mann, sei doch vernünftig«, sagte Biff endlich. »So kannst du nicht länger rumlaufen. Ist ja ’n Wunder, dass sie dich nicht längst wegen Landstreicherei geschnappt haben. Hör auf zu saufen. Wasch dich endlich und lass dir die Haare schneiden. Heilige Mutter Gottes! So kannst du nicht unter die Leute gehn.«
    Blount warf ihm einen finsteren Blick zu und biss sich auf die Unterlippe.
    »Nun nimm’s mir nicht übel und reg dich nicht auf. Tu einfach, was ich dir sage. Sag dem Negerjungen in der Küche, er soll dir ’ne große Schüssel heißes Wasser geben, ’n Handtuch und ’n großes Stück Seife, und wasch dich ordentlich. Dann kriegst du ’ne Schüssel heiße Milch mit Weißbrot, nimmst dir ’n frisches Hemd aus dem Koffer und ziehst Hosen an, die dir richtig passen. Und morgen kannst du überall hingehen, kannst arbeiten, wo’s dir gefällt, und kommst wieder auf den Damm.«
    »Weißt du was«, sagte der betrunkene Blount. »Du kannst mich mal…«
    »Is ja gut«, sagte Biff seelenruhig. »Mach ich aber nicht. Reiß dich zusammen!«
    Biff ging ans Ende des Tresens und kam mit zwei Gläsern Bier zurück. Er packte sein Glas so ungeschickt an, dass das Bier über seine Hände und auf die Theke schwappte. Biff schlürfte
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