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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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Gutenachtkuss gegeben und ihr schöne Träume gewünscht hatte. Für einen Augenblick stand sie in ihrem leeren Zimmer, dann drehte sie sich um und tappte auf nackten Füßen zu Papas großem schwarzen Sessel im Arbeitszimmer, dem Sessel, in dem er immer saß, wenn er rauchte und träumerisch aus dem Fenster sah. Als Papa sie dort fand, war sie fast schon eingeschlafen. Er zündete eine Kerze an und gab ihr einen Kuss, als er sie hochhob und auf den Schoß nahm.
    »Bibi und Cleo sind wieder da«, sagte er.
    Josie nickte und sah ihrem Vater tief in die samtig grauen Augen. Jetzt war er wieder der Papa, den sie kannte, nicht der Mann mit dem wilden Blick, der ihrer Maman die Perlenkette weggenommen hatte.
    »Sie sind jetzt bei Grammy Tulia in der Unterkunft, aber von morgen an wird Bibi wieder bei dir im Zimmer schlafen, wie früher.« Er strich mit der Hand über Josies hellbraune Locken. »Und Cleo wird auch bei dir schlafen. Es macht dir doch nichts aus, wenn Cleo bei dir schläft, oder?«
    »Nein, Papa, das macht mir gar nichts aus.«
    »Gut. Ihr seid große Mädchen, ihr zwei, ihr solltet Freundinnen sein.« Er drehte sie zu sich um, damit er sie direkt ansehen konnte. »Und jetzt hör mir gut zu, Josephine.«
    »Ich höre dir zu, Papa.«
    »Josephine, ich schenke dir Cleo. Ich lasse die Papiere so aufsetzen, dass sie dir – und dir allein – gehört. Verstehst du das?«
    Josie nickte. Zu ihrem Geburtstag hatte Papa ihr eine Porzellanpuppe aus New Orleans mitgebracht, aber dieses Geschenk war irgendwie noch viel besser. Schließlich war Cleo ein echtes Mädchen, das gehen und reden und mit ihr spielen konnte.
    »Und Josie«, sagte Papa. »Du musst immer, immer für Cleo sorgen. Das tust du doch, nicht wahr?«
    »Ja, Papa, das tue ich.«

2
    Josie hielt ihr Versprechen. Als der Winter kam und Cleo kalte Füße hatte, schenkte ihr Josie ein hübsches Paar Schuhe aus ihrem Schrank. Und als Maman in der Weihnachtszeit den groben Baumwollstoff verteilte, aus dem die Sklaven sich neue Kleider schneidern sollten, schenkte Josie Cleo ein blaues Leinenkleid und noch ein grünes dazu.
    Es war nicht schwierig, Cleo lieb zu haben. Sie war hübsch wie eine dunkelhäutige Puppe, und sie kannte alle möglichen Spiele und Lieder, die sie von Grammy Tulia in den Unterkünften gelernt hatte.
    Josie wusste, dass Bibi sich freute, wenn sie gut für Cleo sorgte. Bibi sah, wenn sie ihre Malstifte mit Cleo teilte oder ihr half, die Schuhe zuzuknöpfen. Später nahm Bibi Josie auf den Schoß und summte ihr etwas vor, während sie ihr das lange braune Haar bürstete. Papa lächelte auch, wenn sie mit Cleo spielte.
    Nur Maman war nicht erfreut darüber, dass Josie freundlich zu ihrer Sklavin war. Als Maman am Tag nach Weihnachten ins Kinderzimmer trat, entdeckte sie Cleo in dem bestickten blauen Leinenkleid.
    »Woher hat sie das?«
    Josie spürte, wie ihr die Kehle eng wurde. »Ich habe es ihr geschenkt, Maman«, sagte sie mit leiser Stimme.
    »Das geht nicht. Sie trägt den Sklavenstoff wie alle anderen hier.«
    Cleo saß da, eine Maiskolbenpuppe im Arm, die dunklen Augen fest auf Mamans blasses Gesicht gerichtet. Maman marschierte durchs Zimmer, packte Cleo am Arm und zog sie mit einer groben Bewegung hoch. »Sieh mich nicht so an, du …« Dann riss sie an den Knöpfen am Rücken des Kleides und drehte Cleos Arm aus dem Ärmel.
    Cleo reagierte nicht anders als eine Schlenkerpuppe, aber Josie begann zu weinen. Mamans Gesicht war so böse, ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengezogen, ihre blauen Augen hart und schmal.
    »Was soll denn der Lärm hier?« Papa stand in der Tür. Seine Stimme klang sanft, aber Josie konnte sehen, dass sein Gesicht fast so angespannt und wütend war wie das von Maman.
    Maman ließ Cleos Arm los und fuhr herum. »Sieh dir doch an, was sie trägt!«
    Josie hörte mit Weinen auf und wartete, was passieren würde. Seit jenem Tag im Sommer, als Papa Mamans Perlenkette mitgenommen hatte, hatte sie sich an die anhaltende Spannung im Haus gewöhnen müssen. Maman war eigentlich immer wütend. Josie wusste, dass ihre Mutter Bibi und Cleo nicht mochte, und nun mochte sie anscheinend auch Papa nicht mehr.
    »Das ist unerträglich«, sagte Maman.
    Papa ging zu Cleo, beugte sich zu ihr hinunter und zog ihr das Kleid wieder über die Schulter. »Es ist doch nur ein Kleid, Celine.«
    Maman stürzte aus dem Zimmer und schlug die Schlafzimmertür hinter sich zu. Josie konnte hören, wie sie sich aufs Bett warf.
    Papa
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