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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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pflichtschuldig, wenn auch ohne Begeisterung. Cleo machte fast ebenso große Fortschritte wie sie, und so konnten die Heimlichkeiten weitergehen.
    Was das Klavier anging, so ergriff Josie hier zum ersten Mal bewusst Cleos Partei und ging in Opposition zu ihrer Mutter. Vorher hatte sie sich immer hilflos gefühlt, wenn ihre Mutter gemein zu Cleo war. Oft hatte sie geweint, wenn Maman Cleo beschimpft oder geschüttelt hatte. Sie hatte gewartet, bis Maman aus dem Zimmer war, und war dann zu der ungerührten Cleo gekrochen, um sie zu trösten und selbst ein bisschen Trost zu finden.
    An dem Tag, an dem sie sich zum ersten Mal auflehnte, übte sie gerade die Stücke, die Monsieur Pierre ihr aufgegeben hatte, und ihre Mutter hatte sich hingelegt, um ein Nachmittagsschläfchen zu machen. Gelegentlich rief ihre Mutter ihr etwas zu, wenn sie den Takt nicht richtig hielt oder falsche Töne spielte, aber meistens schlief sie während der Stunde, in der Josie übte. Und wenn Josie keine Lust mehr hatte, überließ sie die Klavierbank stillschweigend ihrer Freundin Cleo.
    Cleo hatte nie selbst Unterricht bei Monsieur Pierre gehabt, aber sie besaß ein gutes musikalisches Gehör und dieses unfassbare gewisse Etwas: Talent. Sie konnte alles nachspielen, was sie hörte, und bei geschlossener Schlafzimmertür hätte Maman den Unterschied niemals bemerkt.
    Aber an diesem Nachmittag wurde Cleo übermütig. Sie begann eine Melodie zu spielen, die sie in den Unterkünften aufgeschnappt hatte, ein altes Lied, das die Männer und Frauen sangen, wenn sie Zuckerrohr schnitten oder Baumwolle pflückten. Josie saß auf dem Sofa und blickte durch das Fernglas, das Papa aus New Orleans mitgebracht hatte. Im ersten Moment hörte sie gar nicht, wie ihre Mutter ins Zimmer trat.
    Aber Cleo sah sie sofort. Sie erstarrte, die Hände noch auf den Tasten. Josie blickte auf, sah, wie Cleo und Maman einander anschauten. Mama bewegte sich zuerst. Mit drei schnellen Schritten war sie am Klavier, griff in Cleos Haarschopf und riss ihren Kopf zurück.
    »Du kleiner Bastard!« Sie schlug Cleo heftig. Cleo keuchte, aber sie hatte schon vor langer Zeit aufgehört, zu weinen, wenn Maman sie bestrafte.
    Josie jedoch hielt es nicht mehr aus. Sie rannte durchs Zimmer und griff nach dem erhobenen Arm ihrer Mutter. »Nein, Maman!«
    Das Gesicht ihrer Mutter war weiß vor Zorn, ein Ausdruck, vor dem Josie graute. »Du kommst später auch noch dran, mein Fräulein!« Sie entzog Josie ihren Arm und hob ihn, um noch einmal nach Cleo zu schlagen.
    »Maman!« Josie griff wieder nach ihrem Arm und zerrte sie weg vom Klavier.
    Maman zeigte mit dem Finger auf Cleo. »Du weist sie auf der Stelle zurecht, auf der Stelle, oder ich lasse sie auspeitschen.«
    Josie schüttelte den Kopf. »Sie gehört mir. Papa hat sie mir geschenkt.«
    Mit einem Rascheln ihrer Röcke drehte sich Maman wieder zu Cleo um. Sie griff nach einer Handvoll schwarzem Haar und zog Cleo von der Klavierbank hoch. Cleo schlug mit dem Kopf auf die Kante der Bank, als sie stürzte, und über ihrem rechten Auge klaffte eine scheußliche Platzwunde. Aber Maman ließ sich vom Anblick des Blutes nicht aufhalten. Sie zerrte Cleo weiter weg vom Klavier und zog mit beiden Händen an ihren Haaren.
    Josie warf sich ihrer Mutter entgegen. »Lass sie los!«
    Maman stolperte und fiel über Cleo. Josie ging mit den beiden zu Boden und versuchte immer noch, ihre Mutter zu zwingen, dass sie Cleos Haare losließ. Sie schrie und zog an den Fingern ihrer Mutter.
    Maman rutschte ein Stück über den Boden. Ihr Gesicht war verzerrt, und sie hielt sich einen Handrücken vor den Mund, während sie Josie anstarrte. »Du ergreifst ihre Partei! Du hältst tatsächlich zu ihr! Du bist genau wie er!« Maman schluchzte und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen.
    »Sie gehört mir«, flüsterte Josie.
    Cleo lag wie gelähmt da, ohne ein Wort zu sprechen, das Blut strömte ihr übers Gesicht und tropfte auf ihr Kleid. Josie starrte auf das Blut und dann auf die zitternden Hände ihrer Mutter.
    »Maman?«
    Ihre Mutter schaukelte vor und zurück, während sie laut vor sich hin schluchzte.
    »Maman?«
    Ihre Mutter wandte den Kopf ab.
    Josie kroch hinüber zu Cleo. Sie half ihr aufzustehen, und Arm in Arm verließen die beiden den Salon, um Bibi zu suchen.
    Nach diesem Zwischenfall verließ ihre Mutter tagelang nicht mehr ihr Schlafzimmer. Als sie schließlich doch wieder bei Tisch erschien, tat sie, als wäre nichts geschehen. Aschfahl, doch
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