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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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knöpfte Cleo das Kleid wieder zu. »Das sieht wirklich sehr hübsch aus, Cleo.«
    Er richtete sich auf und hielt Josie seine Hand hin, um sie zu sich zu ziehen. Als sie vor ihm stand, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und sah ihr in die Augen. »Es ist niemals verkehrt, freundlich zu sein, Josephine. Denk immer daran, vergiss das nicht.« Er küsste sie auf die Stirn. »Und nun lauft, ihr beiden, lauft zu Bibi. Sagt ihr, ihr habt euch ein Stück Kuchen und ein Glas Milch verdient.«
    Als Cleos kleiner Bruder geboren wurde, waren die beiden Mädchen, inzwischen sechs und sieben Jahre alt, unzertrennlich geworden. Sie hatten ein großes Geschick darin entwickelt, Mamans strenge Verbote und häufige Ermahnungen zu umgehen, und jetzt hatten sie nur ein Ziel bei ihren heimlichen Unternehmungen: Sie wollten das Neugeborene sehen.
    »Hübscher als die Engel«, sagte Grammy Tulia. »Nicht einmal ihr zwei wart so hübsch wie dieser kleine Kerl.«
    Cleo legte einen Finger an Thibaults Lippen. Sein Mund sah wie eine Rosenknospe aus, und er machte den Mädchen die Freude, kräftig zu schmatzen und zu saugen.
    Josie beugte sich über die handgeschnitzte Wiege. »Darf ich auch mal?«
    »Sicher. Tauch den Finger in den Topf da.«
    Bei ihrem nächsten Besuch roch Josie den Pfeifentabak ihres Vaters in der Hütte, und als sie ein paar Tage später wiederkamen, sah sie, dass er seine Pfeife auf dem Kaminsims hatte liegen lassen. Mein Papa mag Babys, dachte sie.
    Monate später war Thibault immer noch hübsch, ein zufriedenes Baby, nett und freundlich, aber sehr still. Und als er fast ein Jahr alt war, zeigte er immer noch nicht viel Interesse an den Spielsachen, die Josie und Cleo aus dem Kinderzimmer heranschleppten.
    An einem strahlenden Sommermorgen, während Maman noch schlief, wusch Bibi Josie und Cleo die Gesichter und sagte ihnen, sie sollten warten, bis sie wiederkäme, dann gäbe es Frühstück. Aber das Haus war still, Grand-mère saß schon am Schreibtisch, Papa war mit den Hunden draußen. Niemand würde sie beide vermissen. Also schlossen sie leise die Tür hinter sich und liefen die Hintertreppe hinunter und dann den Weg entlang zu Grammy Tulias Hütte.
    Als sie die graue Holztür aufdrückten, sahen sie Bibi im Schaukelstuhl sitzen, mit Thibault im Arm. Sie hatte Tränen im Gesicht.
    Josie stand auf der einen Seite des Schaukelstuhls, Cleo auf der anderen. Cleo legte eine Hand auf Thibaults Köpfchen. »Er wird wieder gesund, Maman«, sagte sie. »Thibault ist so ein liebes Baby.«
    Aber Bibi weinte nur noch mehr. Sie hatte die Augen geschlossen und schüttelte den Kopf, während sie weiterschaukelte.
    »Was ist mit ihm?«, flüsterte Josie. Manchmal ging Cleo zur Hütte, wenn Josie bei ihrer Mutter bleiben musste. Cleo wusste Dinge, von denen Josie keine Ahnung hatte, und oft fühlte sich Josie deshalb ausgeschlossen. »Warum weint Bibi denn?«
    »Thibault ist einfältig.«
    Josie sah sie verständnislos an.
    »Das heißt, er kann nie ein kluger Mann werden. Er bleibt einfältig wie Nick, der immer lächelt, weißt du? Du kennst ihn doch, er ist immer mit den anderen draußen bei der Zuckerrohrernte.«
    Josie nickte. Jeder kannte Nick. Selbst der Aufseher, Mr Gale, war nett zu ihm, weil er immerzu lächelte.
    Bibi öffnete die Augen und sah Josie lange an. »Ich weiß ja, du bist selbst noch so klein.« Sie hielt Josie am Handgelenk fest. »Aber du musst das wissen, Josie, denn du musst auf ihn aufpassen, und auf Cleo auch, verstehst du?«
    Josie nickte. »Ich bin doch schon fast acht.«
    »Verstehst du mich?« Bibi hielt sie noch fester. »Dieses Baby hier, das ist dein Baby, deins und Cleos. Wenn mir etwas passiert, oder wenn deinem Papa etwas passiert, dann musst du für es sorgen.«
    Josie nickte. Sie gehörten alle zu ihr, Grammy Tulia, Bibi, Cleo, Papa und Thibault. Sie gehörten zu ihr, und sie liebte sie alle.
    So ging die Kinderzeit dahin, glückliche, kaum getrübte Tage. Josie und Cleo spielten mit den Kindern des Aufsehers Verstecken und manchmal auch mit Cleos dunkleren Cousinen aus den Unterkünften. Als Thibault alt genug war, nahmen sie manchmal auch ihn mit, wenn sie im Bach Molche oder Froschlaich fingen. Thibault lächelte, wenn sie ihn mit Geißblattranken schmückten oder seine Taschen mit Raupen füllten.
    Ellbogen-John, dessen Arm durch einen Unfall beim Holz-fällen für immer unbrauchbar geworden war, passte untertags auf sie auf. Er ging zerstreut mit, wenn die Mädchen die Sümpfe am Rand
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