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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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die Ketten hielten sie fest. »Aufschließen!«, befahl er Mr Gale.
    Der Aufseher warf einen schnellen Blick auf Grand-mère, dann machte er eine bedauernde Geste. »Der Kauf ist abgeschlossen, Monsieur Emile.«
    »Losfahren!«, rief einer der Sklavenhändler, und der Wagen rollte an.
    »Halt!«, rief Papa und eilte zum vordersten Maultier. Der Sklavenhändler ritt zwischen Papa und die Maultiere, sodass Papa hintenüber fiel. Der Kutscher ließ die Peitsche knallen, und die Maultiere setzten sich in Bewegung. Papa kam wieder auf die Füße, aber zu spät. Mit beiden Händen griff er sich ins Haar, als er dem Wagen nachblickte, der die Straße hinunterfuhr.
    Oben auf dem Balkon klammerte sich Josie am Geländer fest und beobachtete den Wagen, der sich schnell entfernte. Bibi hielt Cleo fest an sich gedrückt, die Augen starr auf Papa gerichtet, als ob sie sich mit ihrem ganzen Sein nach ihm ausstreckte. Warum konnte Papa diesen Wagen nicht anhalten? Wie war das möglich?
    Ihr Vater kam die Treppe wieder hinaufgelaufen, ging zornig an seiner Frau vorbei und ins Haus. Maman folgte ihm mit schnellen Schritten, und Josie lief hinter ihnen her.
    In Mamans Zimmer durchsuchte Papa die Schubladen und warf ihren Inhalt auf den Boden.
    »Wo ist dein Schmuck? Wo?«, fragte er.
    »Emile, du kannst doch wohl nicht ernsthaft …«
    »Ich habe kein Bargeld im Haus, ich brauche die Perlen.«
    »Emile, ich will nicht, dass du dieses Mädchen mit meinen Perlen bezahlst, ich will das nicht!«
    Papa griff nach Mamans Handgelenk. Josie versteckte sich hinter den Röcken ihrer Mutter und konnte kaum atmen.
    »Lass mich los!«, sagte ihre Mutter. »Du bekommst meine Perlen nicht.«
    Papa schubste sie aufs Bett, Josie immer noch an ihren Röcken festgeklammert. Ohne auf Mamans Schluchzen zu achten, durchsuchte er ihren Kleiderschrank, bis er die hübsch bemalte Schmuckschatulle fand. Als sie nicht gleich aufging, warf er sie auf den Boden, sodass Mamans funkelnde Ringe und Ketten sich über die Dielen verteilten.
    Papa griff nach dem dunkelblauen Samtbeutel, der Mamans wertvolle Perlen enthielt. Er hatte sie ihr auf der Hochzeitsreise in Paris gekauft. »Emile«, flehte Maman.
    Papas Stiefel hallten auf den Dielen, als er das Haus verließ. Josie hörte seine Sporen auf der Treppe klirren, dann ertönte der Hufschlag seines Hengstes auf dem gepflasterten Hof.
    Maman stand vom Bett auf und stand ganz still da, den Blick auf die Tür geheftet, durch die Papa verschwunden war. Josie hob die Schmuckstücke vom Boden auf, um sie ihrer Mutter zu reichen, aber in diesem Moment begann ihre Mutter zu schwanken. Ihr Gesicht schien förmlich zu schmelzen wie bei der Wachspuppe, die Josie einmal zu nahe am Kamin hatte liegen lassen. Josie schauderte, als ihre Mutter einen einzigen schrillen Schrei hören ließ, der erst endete, als sie auf dem Dielenboden zusammensank. Dort kniete sie, das Gesicht in den Händen vergraben.
    Grand-mère Emmeline glitt ins Zimmer und sah ihre Schwiegertochter an. »Nun, Celine«, sagte sie, »es scheint, als wäre dein Plan nicht aufgegangen.«
    Josie zog ein Kissen an sich, um sich vor den dunklen Augen ihrer Großmutter zu schützen. Aber die Aufmerksamkeit ihrer Großmutter war ausschließlich auf Maman gerichtet. »Unser Emile hat doch mehr Mumm, als wir erwartet haben«, sagte sie. »Das ist immerhin eine gute Nachricht.«
    Am Ende dieses langen Tages voller Geflüster und Schweigen lehnte sich Josie aus ihrem Fenster und strengte sich an, um trotz des Zikadengesangs den Hufschlag von Papas großem Pferd zu hören. Doch er kam erst nach Hause, als es schon fast dunkel war.
    Der Hengst trug ihn genau unter Josies Fenster. Cleo saß vor ihm im Sattel, Bibi hinter ihm, die Arme um seine Mitte gelegt. Er hatte sie nach Hause gebracht.
    Josie rannte zum hinteren Balkon, um Papa zu den Ställen zu folgen. Sie wollte Bibi umarmen, sich an ihr festklammern, mit Cleo darüber lachen, dass Papa sie auf seinem großen Pferd mitgenommen hatte.
    »Josephine!« Grand-mère saß in dem eichenen Schaukelstuhl und beobachtete, wie sich die Finsternis zwischen den Bäumen und über der Scheune ausbreitete. »Du verlässt das Haus nicht.«
    »Aber Bibi ist wieder da.« Josie konnte den jämmerlichen Tonfall in ihrer Stimme hören, den ihre Großmutter verabscheute.
    »Du siehst sie morgen. Und jetzt gehst du zu Bett.«
    Josie war noch nie in ihrem kurzen Leben schlafen gegangen, ohne dass Bibi die Decken festgesteckt hatte, ihr einen
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