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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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der Plantage erforschten oder auf die Zypressen kletterten, wo die Schlingpflanzen in das schwarze Wasser reichten. Wenn sie in der Nachmittagshitze schläfrig wurden, saß er neben ihnen unter der alten Eiche hinter dem Haus und erzählte ihnen Geschichten aus Afrika, die er von seinem Großvater gehört hatte.
    Ab und zu gab es auch Streit.
    »Ich bin die Prinzessin«, erklärte Josie.
    »Immer du! Heute bin ich dran, ich bin die Prinzessin, und du bist der Ritter.«
    Und bald schrien und weinten sie beide, und Bibi schickte sie in entgegengesetzte Winkel des Hauses. Stunden später, wenn sie ihnen wieder erlaubte, zusammenzukommen, umarmten sie sich, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen.
    Als Josie acht Jahre alt wurde, schickte Maman Ellbogen-John zurück in die Ställe. Josie sollte Unterricht bekommen, sie musste ihre Petticoats und ihre Hände sauber halten, sie sollte eine feine junge Dame werden. Dienstags und donnerstags übte Madame Estelle mit ihr englische Grammatik. Montags und mittwochs begeisterte sich Mademoiselle Fatima an der französischen Literatur. Freitags kam Monsieur Pierre und bestand darauf, dass Josie aufrecht vor dem Klavier saß, wenn sie ihre Tonleitern übte. Und danach hielt er sie in seinen hölzernen Armen, um ihr das Tanzen beizubringen.
    Josie wäre so viel lieber draußen auf die Bäume geklettert oder hätte Louella beim Wasserschöpfen geholfen. Aber Maman hatte die Lehrer genau zu dem Zweck engagiert, sie von diesem Benehmen abzuhalten. Andere Töchter aus guter Familie verbrachten ihre Zeit schließlich auch nicht wie die Wilden.
    Also kamen die Lehrer, und Josie musste sich abgewöhnen, zu springen und zu rennen und zu schaukeln. Cleo leistete ihr getreulich Gesellschaft, wenn sie bei Mademoiselle Fatima saß, die ihnen mit ihrem Damenbart und ihren Leberflecken viel zu nahe kam, wenn sie aus Perraults Märchen vorlas, dass die Spucke nur so flog. Monsieur Pierre schreckte nicht davor zurück, Josie auf die Handgelenke zu schlagen, wenn sie sie am Klavier sinken ließ. Und am schlimmsten war Madame Estelle, die absolute Perfektion von ihr verlangte.
    »Put, put, put«, rezitierte Josie die unregelmäßigen Verben. »Run, ran, run. Sit, sat, sat.« Sie konnte kein Muster erkennen, und sie litt unter dem angewiderten Ausdruck auf Madames Gesicht, wenn sie einen Fehler machte. Manchmal flehte sie schweigend Cleo an, die auf dem Boden in der Ecke saß, und Cleo sagte ihr vor oder zuckte, wenn sie ebenso wenig Ahnung hatte, die Schultern.
    Nur ihr Vater ließ sich während der Unterrichtsstunden manchmal blicken. Dann stand er einfach ein paar Minuten lang an den Türrahmen gelehnt da und hörte Josie zu, wie sie ein englisches Verb konjugierte oder ein paar Zeilen Montaigne vorlas, den sie ebenso wenig verstand, wie wenn er in Englisch geschrieben hätte.
    Eines Morgens, als Josie unter Madame Estelles Aufsicht vor sich hin litt, während Cleo auf dem Boden saß und Buchstaben auf ein Stück Papier malte, nahm Madame Papa beiseite.
    »Monsieur Tassin, vielleicht ist Ihnen bisher entgangen, dass diese kleine Sklavin Josephine zum Unterricht begleitet. Ich fühle mich sehr unwohl angesichts dieses Gesetzesbruchs.« Madame bezog sich darauf, dass jede Art von Unterricht für Sklaven verboten war. Tatsächlich war es von den weisen Männern Louisianas sogar als Verbrechen unter Strafe gestellt worden, einem Sklaven das Lesen beizubringen.
    Papa warf einen Blick auf Josie und Cleo, die beide aufmerksam zuhörten und auf seine Reaktion warteten. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. »Madame, es war mir nicht klar, dass Sie danach streben, beide Mädchen zu unterrichten.«
    »Natürlich nicht! Aber Sie sehen ja, was passiert. Das Sklavenmädchen hört ständig zu, sie wagt es sogar, das Schreiben von Buchstaben zu üben. Wenn wir nicht gut aufpassen, wird sie bald lesen können.«
    »Josephine, du bringst Cleo doch nicht etwa das Lesen bei, oder?«
    »Nein, Papa, wirklich nicht.« Sie warf Cleo einen schuldbewussten Blick zu, aber Cleo machte jenes leere Gesicht, das sie auch aufsetzte, wenn Maman mit ihr schimpfte.
    »Ich auch nicht. Sehen Sie, Madame Estelle, die Einzige, von der Cleo lesen lernen könnte, sind Sie, und ich bin sicher, eines solchen Verbrechens würden Sie sich niemals schuldig machen.«
    Madame Estelle verzog die Lippen und stand kerzengerade da. »Ich verstehe vollkommen«, sagte sie. »Ich werde Sie damit nicht noch einmal belästigen.«
    Josie lernte
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