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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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    Plantage Toulouse, August 1823
    Ellbogen-John stieg mit einem Bein in das flache Boot und stieß es mit dem anderen Fuß vom Ufer ab. Josie, die die Schlingpflanzen fürchtete, die manchmal ins Boot fielen, atmete auf, als er unter den Zypressen hervor ins Sonnenlicht stakte.
    »Setz die Haube wieder auf, Mamsell«, sagte er.
    Josie, die fünf Jahre alt war, schüttelte die Bänder der Haube aus. »Cleo muss auch keine tragen.«
    »Cleo kriegt auch keine Sommersprossen.« Er reichte Josie einen Topf. »Seht zu, ob ihr das Wasser aus dem Boot bringt.«
    Josie begann zu schöpfen, aber die vierjährige Cleo streckte die Hand nach dem Topf aus. »Lass mich.«
    Josie machte weiter, und Cleo zog von der anderen Seite an dem Topf.
    »Lass sie, Mamsell, setz dich, ich brauche deine Augen, um die Krebsreuse zu finden.«
    Josie ließ den Topf los, und Cleo stolperte rückwärts.
    »Alles in Ordnung?« Josie blieb sitzen wie befohlen und half Cleo auf. Dann wrang sie den hinteren Saum von Cleos Rock aus und reichte ihr den Topf. »Jetzt kannst du schöpfen.«
    Cleo machte sich an die Arbeit, während Josie das Wasser beobachtete und nach dem einzelnen Zuckerrohr suchte, das aus der Wasseroberfläche ragen musste. »Ich sehe sie, da drüben!«
    Josie und Cleo zerrten mit vereinten Kräften an dem Seil, konnten aber den Sog des Schlamms nicht überwinden, der die Reuse festhielt. Ellbogen-John griff nach dem Seil und zog mit seinem gesunden Arm ein verknotetes Bündel ins Boot. Aus der löchrigen Reuse strömte schlammiges Wasser.
    »Was ist denn damit passiert?«, fragte Josie.
    »Wahrscheinlich hat der alte, blinde Alligator wieder mal zugeschlagen. Mehr Zähne als Verstand, was?« Ellbogen-John warf die Reuse wieder über Bord und griff nach dem Zuckerrohr. »Haltet Ausschau, Mädchen, die nächste muss gleich in der Nähe sein.«
    Bei den nächsten Reusen hatten sie mehr Glück und leerten ihre Beute in einen Jutesack. »Guter Fang«, sagte John. »Gott im Himmel und die Krebse im Sack.«
    Cleo zeigte mit dem Finger auf den Schlamm, der Josies weißes Kleid bedeckte. »Sieh dir das an!«
    Josie versuchte, mit ihren schmutzigen Händen den Schlamm wegzuwischen, verschmierte ihn aber nur noch mehr. O je, Maman würde sehr böse sein.
    »Keine Sorge, Mamsell«, sagte Ellbogen-John. »Bibi wäscht es dir, davon muss Madame Celine nichts erfahren.«
    Die Mädchen legten sich auf eines der alten, streng riechenden Kissen und beobachteten die blauen Libellen, die über dem Wasser schwebten. Ein Reiher flog auf und zeigte mit seiner Flugbahn an, wo der Sumpf lag. Ellbogen-John stakte das Boot zurück zum Anleger, zog es aus dem Wasser und warf sich den Sack mit den Flusskrebsen über die Schulter. »Und jetzt raus aus der Sonne.«
    Hand in Hand gingen die beiden Mädchen ihm voran hinauf zum Herrenhaus: Josie in ihrem schmutzigen weißen Kleid, Cleo in ihrem zu klein gewordenen geerbten Teil. Schlamm klebte an Josies Lederschuhen ebenso wie zwischen Cleos nackten braunen Zehen.
    Als sie sich dem Herrenhaus näherten, wurden Stimmen laut. Was anfangs noch wie Gemurmel geklungen hatte, entwickelte sich zum Geschrei, und Josie drehte sich mit fragendem Blick zu Ellbogen-John um.
    John hörte genauer hin. »Himmel, ich hoffe doch nicht …« Er ließ den Sack mit den Krebsen fallen und rannte zum Hof hinter dem Herrenhaus. Josie und Cleo versuchten, mit ihm Schritt zu halten.
    Hinter dem Haus angekommen, empfing sie ein fürchterlicher Tumult. Drei fremde Männer, staubig und schmutzig, drängten einige Männer und Frauen aus den dunklen kleinen Unterkünften auf einen riesigen Wagen. Die Menschen wehrten sich, schrien und diskutierten und versuchten zu entkommen.
    Schnell führte Ellbogen-John die beiden Mädchen hinter die Ecke des Herrenhauses zurück. »Das ist nichts für euch.«
    Josie und Cleo klammerten sich aneinander. »Was machen die da?«, fragte Cleo.
    »Kümmert euch nicht drum, Madame Emmeline hat nur ein paar Leute verkauft, weiter nichts.«
    Aber Josie spürte, dass Ellbogen-John ihr die Wahrheit verschwieg. Seine Stimme zitterte ebenso wie seine Hände. Cleo klammerte sich noch fester an Josie. Auch sie hatte Angst.
    Ein einzelner Schrei war über dem allgemeinen Lärm zu hören, eine Frauenstimme, die schrie: »Lass mich los!«
    Entsetzt starrten sich die Mädchen an.
    »Bibi!«, flüsterte Josie. Sie und Cleo rissen sich von Ellbogen-John los, rannten zum Hof und drängelten sich durch die Menge zu dem
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