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04 - komplett

04 - komplett

Titel: 04 - komplett
Autoren: 2 Romane
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1. KAPITEL
    „Du willst das Thornton-Mädchen heiraten?“ Die verwitwete Lady Longbourne raffte sich fast schon zu einer sitzenden Haltung auf, besann sich dann aber darauf, dass es für eine solche Anstrengung zu warm war. „Carlton, du solltest wirklich von geschmacklosen Scherzen Abstand nehmen.“
    „Es war nicht als Scherz gemeint, Mama.“ Lord Vincent Carlton lächelte. Er sah ausnehmend gut aus, besaß einen Titel und war sehr reich, hatte also alles, was ein Mann sich wünschen konnte. Zwar war niemand großzügiger als er, wenn es um Menschen ging, die ihm etwas bedeuteten, doch manch andere hielten ihn für hochmütig und stolz. „Deswegen bin ich gekommen. Um dich zu bitten, Cassandra zu dir einzuladen. Dann können wir uns besser kennenlernen, bevor ich um sie anhalte.“
    „Ich soll die kleine Thornton hierher einladen?“, wiederholte Lady Longbourne bestürzt. „Das kannst du doch unmöglich ernst meinen, Carlton. Ziehst du wirklich eine solche Mesalliance in Betracht? Immerhin bist du ein Viscount.“
    „Das muss er“, warf der zweite Besucher ein. „Es ist eine Frage der Ehre, Mama.
    Vinnie muss sie heiraten.“
    Ihre Ladyschaft setzte einen Fuß, der in einem Satinpantöffelchen steckte, auf den Boden, dann den zweiten. Entsetzen und Unglaube spiegelten sich auf ihrem Gesicht wider, das auch heute noch an die außerordentliche Schönheit erinnerte, die sie in ihrer Jugend berühmt gemacht hatte. Finster fasste sie ihren jüngeren Sohn ins Auge. Sir Harry Longbourne war ihr Lieblingssohn, da er aus ihrer zweiten, sehr viel glücklicheren Ehe stammte.
    „Wovon redest du da, Harry? Warum sollte Carlton dazu verpflichtet sein, dieses Mädchen zu heiraten?“, verlangte sie zu wissen. Plötzlich wurde sie blass. „Carlton!
    Du hast doch nicht ... du kannst das arme Ding doch unmöglich entehrt haben, oder?“
    Der Viscount lächelte nicht mehr. Es kränkte ihn sehr, dass sie glauben konnte, er würde so tief sinken, eine Frau zu entehren, noch dazu eine Dame! Allerdings hatte er seine Mutter zu gern – obwohl er wusste, dass sie seinen Bruder vorzog – und war zu sehr Gentleman, um seinen Ärger zu zeigen.
    „Natürlich nicht!“, kam Harry ihm zuvor. „Was für ein Gedanke! Du müsstest Vinnie wirklich besser kennen, Mama. Es war ein Versprechen, das wir alle Jack Thornton gaben, kurz bevor er bei Waterloo getötet wurde.“

    „Ein Versprechen? Was für ein Versprechen?“, fragte seine Mutter aufgebracht. „Was hat ein Versprechen an Cassandras Bruder mit Carltons Antrag zu tun?“
    „Jack hatte gerade von dem Tod seines Vaters gehört“, fuhr Harry geduldig fort, während Carlton sich erhob und ans Fenster des kleinen Salons trat, in dem Lady Longbourne sich am liebsten aufhielt. Er blickte in Gedanken versunken auf die gepflegte Rasenfläche und die Rosenbeete hinaus. Hinter sich hörte er das Ticken der emaillierten Uhr auf dem reich verzierten Kaminsims. „Natürlich traf es ihn zutiefst ...“
    „Wie jeden an seiner Stelle“, warf Lady Longbourne ein. „Den größten Teil seines Vermögens zu verspielen, während der eigene Sohn für König und Vaterland kämpft.
    Und sich dann zu ...“ Sie erschauderte. „Es muss fürchterlich gewesen sein für die arme Cassandra, ihren Vater zu finden und feststellen zu müssen, dass er sich selbst das Leben genommen hatte.“
    „Genau, Mama.“ Carlton nahm den Faden der Geschichte auf. „Jack war verzweifelt, völlig von Sinnen vor Kummer. Er flehte uns an, uns um seine Schwester zu kümmern. Einer von uns sollte sie heiraten, falls er fallen sollte.“
    „Aber warum ausgerechnet du?“, wandte seine Mutter ein. „Du könntest eine viel bessere Partie machen, Carlton.“
    „Du meinst, ich sollte eine Erbin heiraten oder die Tochter eines Dukes? Vielleicht um das Familienvermögen zu retten?“
    Er war ein hochgewachsener, schlanker Mann, aber kräftig und mit der stolzen, Respekt gebietenden Haltung eines Soldaten. Das dunkle Haar trug er modisch kurz, und seine Kleidung verriet die Kunst eines ausgezeichneten Schneiders. Alles an ihm spiegelte genau das wider, was ihn ausmachte – einen Gentleman von Vermögen und der Freiheit, jetzt, da er aus dem Schlachtengetümmel des Kontinents heil zurückgekehrt war, genau das tun zu können, was ihm beliebte.
    „Nun ...“ Sie senkte den Blick vor dem Spott in seinen Augen. „Natürlich meinte ich das nicht, Carlton! Ich weiß sehr wohl, wie gut du dich um das Gut kümmerst, seit du
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