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Das Herz des Loewen

Titel: Das Herz des Loewen
Autoren: Suzanne Barclay
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den Weg, den er gehen musste, klar vor sich. Vielleicht würde er seine Lüge mit ewiger Verdammnis büßen müssen. Aber das erschien ihm immer noch besser, als den Menschen, die er liebte, die Hölle auf Erden zu bereiten. „Er hieß Comyn MacDonell, und Lion war nicht sein einziges Opfer.“ Während sie zwischen den Rauchwolken am Strand standen, berichtete er in knappen Worten, was geschehen war. Und dabei änderte er nur den Namen des Mannes, der den Pfeil in Lions Rücken geschossen hatte.
    „Oh Ross!“, rief Elspeth, schlang die Arme um seine Taille und legte die Stirn an seine Brust. „Es tut mir so leid, dass ich an dir gezweifelt habe.“
    „Schon gut, mein Püppchen. Manchmal musste ich an mir selber zweifeln. “ Jetzt nicht mehr, dachte er.
    „Und wo ist meine neue Tochter?“, fragte Lionel. „Übrigens, hast du etwas von einer Mahlzeit gesagt? Letzte Woche bekamen wir nur Kaltes zu essen.“
    Lächelnd legte Ross einen Arm um Elspeths Schultern. „Megan und das Abendessen erwarten uns in Curthill, außerdem noch eine dritte Überraschung.“ Der Tränenstrom, mit dem die Nachricht von Kierans Existenz begrüßt wurde, bestärkte Ross in der Überzeugung, dass er sich richtig entschieden hatte. Nun würden sie alle in Frieden leben können.
    „Verschwunden?“, fragte Ross seine Schwiegermutter. „Was soll das heißen? Megan ist verschwunden?“
    „Sie ... sie musste gehen“, entgegnete Lady Mary und wandte sich vom Fenster ab, zu dem sie ihn geführt hatte, um unter vier Augen mit ihm zu sprechen.
    „Hängt es mit dem Kleinen zusammen?“, wollte er wissen, während er ihr durch die Halle zum Kamin folgte. Dort drängte sich seine Familie um die Wiege, in der Kieran lag.
    Lady Mary schüttelte den Kopf, und ihr gequältes Gesicht wurde noch bleicher.
    „Bei allem Respekt, ich habe eine höllische Woche hinter mir“, stieß er hervor. „Und zu allem Überfluss musste ich mich auch noch meines Vaters erwehren. Wenn du mir nicht sofort sagst, wo Megan steckt, suche ich sie und komme erst zurück, wenn ich sie gefunden habe.“
    Zitternd rang sie nach Atem und presste eine Hand auf ihren Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. „Sie ... sie lief davon, weil sie dir keine Kinder schenken kann.“
    „Was für ein Unsinn ist das? Erst eine Woche verheiratet, und schon fürchtet Megan, sie wäre unfruchtbar?“
    „Das ist sie“, flüsterte Lady Mary, und nun begannen die Tränen zu fließen.
    Ross umfasste ihre Schultern. „Wie kannst du das wissen?“ Tiefe Trauer erfüllte sein Herz, nicht um seiner selbst willen, sondern weil er wusste, wie inbrünstig Meg sich eigene Kinder wünschte.
    „Genau weiß ich es nicht. Aber sie blutete so stark, und viele Frauen, die solche Unfälle erlitten haben, können später nicht Mutter werden. Die Hebamme bestätigte unsere Befürchtungen.“
    „Deshalb muss das noch lange nicht für Meg gelten. Verdammt, warum hast du es ihr überhaupt gesagt?“
    „Weil ich es nicht länger mit mir herumschleppen konnte. Ich musste ihr ganz einfach die Wahrheit sagen.“
    Die Wahrheit. Das war also die Strafe für seine bedingungslose Wahrheitsliebe. Nun musste er für den Rest seines Lebens schonungslose Enthüllungen ertragen. „Wohin ist sie gegangen?“
    Es dauerte noch eine Weile, bis er ihr eine Antwort entlockt und ein Pferd aus dem Stall geholt hatte. Nicht Zeus, der vor Erschöpfung eingeschlafen war, sondern einen kastanienbraunen Wallach, der frisch und munter ins Dorf galoppierte. Wenig später klopfte Ross an Georges Tür.
    „Wer ist da?“
    „Ross! Ich will Megan holen!“ Er hörte aufgeregte Flüsterstimmen und hastige Schritte. „Ich weiß, dass sie in Eurem Haus ist, also lasst mich hinein! “, forderte er in seinem besten Befehlston.
    „Einen Augenblick“, erwiderte George, aber es dauerte noch ziemlich lange, bis die knarrende Tür endlich auf schwang und drei verwirrte Gesichter sichtbar wurden - George, seine Frau und Lucais. Der Junge schaute so schuldbewusst drein, dass Ross gar nicht erst zu fragen brauchte, ob Megan geflohen war.
    „Wo ist sie, mein Junge? Sag es mir, schnell!“
    „Das darf ich nicht.“ Lucais saß am Tisch, den Kopf unglücklich über ein aufgeschlagenes Buch gesenkt.
    Megans Legendenbuch. Es hatte schon einige Abenteuer miterlebt, Eselsohren bekommen, und auf manchen Pergamentseiten war die Tinte zerronnen. Eine Erinnerung an jene schicksalhafte Regennacht, in der Ross seine Frau beinahe verloren
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