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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers
Autoren: Deon Meyer
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um zu tanken. Als sie wieder losflogen, schob Allison die Armlehne zwischen ihnen hoch und schmiegte sich an ihn.
    |387| »Bin ich immer noch ein Arschloch?« fragte er.
    »Ja, aber du bist mein Arschloch«, sagte sie, drückte ihr Gesicht an seinen Hals und atmete seinen Duft mit geschlossenen Augen ein.
    Am Nachmittag hatte sie gedacht, sie würde ihn nie wiedersehen.
    Bevor sie die N1 irgendwo östlich von Warmbad überflogen, war Allison schon eingeschlafen.
     
    Sie blieb im Flugzeug, schaute aus dem ovalen Fenster der Maschine. Die Luft, die durch die offene Tür hereindrang, war heiß und schwer und voll exotischer Düfte. Draußen erhellten Scheinwerfer die Nacht, die herumeilenden Menschen warfen lange Schatten, und dann tauchten vier Männer hinter einem Wagen auf, sie hielten eine Krankentrage, und Allison fragte sich, wie er aussah, dieser Attentäter, Drogensoldat, der Mann, um den Miriam Nzululwazi in ihren Armen geweint hatte, der Mann, der sich zweitausend Kilometer weit hatte jagen lassen, nur um einem Freund einen Gefallen zu tun. Wie sah er aus? Gab es Anzeichen, erkennbare Züge in seinem Gesicht, die seinen Charakter enthüllten?
    Sie mühten sich unter seinem Gewicht die Treppe herauf. Allison setzte sich nach hinten, sie ging aus dem Weg, sie schaute genau hin, aber die Träger verbargen ihn, Van Heerden, der Arzt, der mit ihnen geflogen war, Dr. Pillay und noch jemand. Sie legten ihn vorsichtig auf das Bett im Flugzeug. Der weiße Arzt schloß einen Tropf an den kräftigen braunen Arm an, der Inder flüsterte dem Patienten etwas ins Ohr, er drückte eine große Hand, die still da lag, und dann stiegen sie wieder aus, und jemand zog die Tür zu. Der Pilot ließ die Motoren an.
    Allison stand auf, um ihm ins Gesicht zu sehen. Sein Blick traf auf ihren, wie Scheinwerfer, die ein Reh erwischten, schwarzbraun und erschreckend intensiv, so daß sie nichts anderes mehr sehen konnte, und sie verspürte Angst und |388| unglaubliche Erleichterung. Angst davor, zu was er imstande war, und Erleichterung, daß er es nicht ihr antun würde.
     
    Der schwarze Mann schlief, und Van Heerden saß wieder bei ihr. Sie fragte: »Hast du es ihm schon gesagt?«
    »Es war das erste, was er wissen wollte, als er mich sah.«
    »Du hast es ihm gesagt?«
    Er nickte.
    Sie schaute hinüber zu dem Mann, die dunkelbraune Haut seiner Brust und seiner Arme kontrastierte mit dem weißen Bettzeug, Kraft schien in seinem muskulösen Körper gefangen zu sein.
    William Blake
, dachte sie.
    Welches Gottes Aug und Hand
    Nur dein furchtbar Gleichmaß band?
    »Was hat er gesagt?« fragte sie.
    »Er hat seitdem kein Wort gesagt.«
    Nun verstand sie die Intensität seines Blicks.
    In welch Himmelstiefen bannte
    Feuer, dir ins Aug gebrannte?
    »Glaubst du, er wird …« Sie schaute Van Heerden an und sah zum ersten Mal die Sorgen.
    »Wie sonst?« sagte er frustriert.
    Wessen Flügel war Betreuer?
    Welche Hand ergriff das Feuer?
    »Aber du kannst ihm helfen. Es muß doch einen legalen …«
    »Er ist nicht derjenige, der Hilfe brauchen wird.«
    Da erst verstand sie, was Van Heerden fürchtete, und sie schaute Mpayipheli an und erschauerte.
    Als die Sterne Speere schossen
    Und Tränen in den Himmel gossen,
    Sah lächelnd er sein Werk vor sich?
    Schuf er, der auch das Lamm schuf, dich?
     
    |389| Auf dem letzten Flugabschnitt nach Kapstadt erwachte sie plötzlich mit schwerem Kopf und steifem Nacken und sah Van Heerden neben Mpayipheli sitzen, seine weiße Hand hielt die des Xhosas, und sie hörte die tiefe Baßstimme, sanft, die Worte kaum verständlich über den Motorenlärm. Allison schloß die Augen wieder und lauschte.
    »… verschwinden, Van Heerden? Gehört auch das zu unserer genetischen Ausstattung? Macht uns das zu Menschen? Daß wir immer wieder davonlaufen?« Der Xhosa sprach langsam, gemessen. »Warum konnte ich nicht nein sagen? Miriam wußte es von Anfang an. Sie hat gesagt, Männer verschwinden. Sie hat gesagt, das liege in unserer Natur, und ich habe es abgestritten, aber sie hatte recht. Wir sind so. Ich bin so.«
    »Thobela, du kannst nicht …«
    »Weißt du, was das Leben ist? Fortschreitende Desillusionierung. Man verliert die Illusionen über Menschen. Man vertraut am Anfang jedem, man sucht sich Vorbilder und versucht, wie sie zu sein, und dann wird man von einem nach dem anderen enttäuscht, und es tut weh, Van Heerden, der Weg ist schmerzhaft, und ich habe nie verstanden, warum das so sein muß, aber jetzt verstehe
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