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Das Herz aus Eis

Das Herz aus Eis

Titel: Das Herz aus Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mexiko und reitet in diesem Augenblick durch die stachelige Hochebene auf Veracruz zu!«
    »Verdammt!«
    »Jawohl, verdammt! Der Bursche ist noch verrückter, als wir dachten! Hier, lesen Sie: Jack Fenton nennt sich jetzt Roberto del Villeria. Schöner Name, Collins, was? Romantisch, etwas für kleine Mädchen und Poesiealben. – Marsch, marsch, mein Lieber, packen Sie Ihre Habseligkeiten, und dann nichts wie ab nach Veracruz. Ich beneide Sie, Michael! Gerne hätte ich Ihnen die Häuser von Veracruz gezeigt, die garantiert in keinem Reiseführer stehen! Wetten, daß Sie dabei temperamentvoller geworden wären? Na ja, vielleicht ein anderes Mal! Ich benachrichtige jetzt sofort den Captain und besorge für Sie ein Visum, Haftbefehl und generelle Vollmachten! Aber eines sage ich Ihnen: Wenn Sie Fenton diesmal nicht mitbringen, fliegen Sie, und zwar ohne Flugzeug!«
    »Okay«, lachte Collins und tippte mit dem Zeigefinger auf das Telegramm. »In zwei Tagen haben Sie Fenton und sein Geständnis, oder …«, er wurde plötzlich ernst, »… Sie sehen mich nie mehr wieder …« Mit langen Schritten eilte er hinaus.
    Entgeistert sah ihm Fred Jacklow nach.
    Die dritte Nacht seit der Flucht brach herein. Villeria ritt noch immer durch die endlos scheinende Kakteenwüste, abseits von ausgebauten Straßen oder eingetretenen Pfaden. Mühsam kämpfte er sich mit seinem Pferd durch die immer dichter werdenden Agaven und Riesenkakteen. Durch Unachtsamkeit hatte er bei der letzten Rast mit zittrigen Händen den Vorrat seiner zweiten und damit letzten Wasserflasche verschüttet und mußte nun ebenfalls den ekligen grünen, klebrigen Saft der Pflanzen trinken, um den brennendsten Durst zu löschen. Er sehnte sich nach einem Bissen frischen Brotes oder einem vollen Glas eisgekühlten Whiskys. Der lange und harte Ritt begann seine Widerstandskraft zu zermürben. Es ging soweit, daß ihm in den letzten Stunden immer öfter die verzweifelte Idee gekommen war, ob er sich nicht einfach der Polizei stellen sollte. Oder war es besser, den Lauf des Revolvers in den Mund zu nehmen und abzudrücken? Eine neue, unbeschwerte Existenz schien ihm nur noch Illusion zu sein, ein Märchen, eine unerreichbare Fata Morgana am Firmament seiner einfältigen Phantasie.
    Wie kann ein Mörder Ruhe finden? Wie könnte er sorglos irgendwo in der Fremde leben ohne den Gedanken, von Spionen umgeben zu sein und stets beobachtet zu werden? Konnte er sein Gewissen einfach abstellen? Mit denselben Augen, die einst durch das Visier auf einen herrlichen nackten Frauenkörper zielten, heiteres Leben sehen?
    Villeria schauderte und schreckte aus seinen dumpfen Gedanken auf. Die Sonne versank gerade am Horizont und tauchte die weite Steppe in glutrotes Licht. Aufmerksam sah er sich um.
    Er befand sich inmitten eines dichten Kakteenringes, ähnlich dem Lagerplatz der vergangenen Nacht. Die Stelle hatte nur den Nachteil, daß die Pflanzen so eng standen, daß sie im Falle einer Entdeckung wenig Möglichkeiten zu einer schnellen Flucht boten.
    Doch zu müde, um weiterzureiten, und durchdrungen von einer tiefen Gleichgültigkeit sattelte Villeria sein Pferd ab, band es an einem kräftigen Agavenblatt fest, breitete die Decken aus und begann das Pökelfleisch des alten Bauern mit dem Buschmesser in lange Streifen zu schneiden und dann zusammen mit einigen harten Keksen herunterzuwürgen.
    Als er mit seiner kärglichen Mahlzeit fertig war, rollte er sich in die dickste Decke ein, schob den Sattel als Kopfkissen unter seinen Nacken und verfiel in unruhigen Erschöpfungsschlaf.
    Zwei Stunden mochte es her sein, daß er sich hingelegt hatte, als das Pferd plötzlich witternd den Kopf hob. Schnaubend stieß es die Luft durch die Nüstern, und leise wiehernd scharrte es mit einem Huf über den trockenen Boden.
    Zuerst war nur ein kaum wahrnehmbares Vibrieren des Bodens zu spüren, dann ein fernes, rhythmisches Getrappel zu hören. Es klang, als kämen von weit her viele Reiter im Galopp näher …
    Villeria wälzte sich unruhig auf die Seite. »Verdammtes Vieh«, schimpfte er verschlafen und blinzelte zu seinem Pferd hinüber. »Steh still, Kanaille!« Doch dann fuhr er plötzlich hoch, horchte angestrengt, fühlte das Beben des Bodens, warf sich der Länge nach nieder und preßte das Ohr an die Erde.
    Sein Gesichtsausdruck versteinerte. Es beherrschten ihn nur noch Schrecken, Angst und Panik. Hastig sprang er auf, griff nach seinem Sattel und wollte ihn dem Pferd überwerfen, als
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