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Das Herz aus Eis

Das Herz aus Eis

Titel: Das Herz aus Eis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nötigen Proviant zusammenzustellen. Villeria zählte unterdessen die klägliche Summe seines letzten Geldes, prüfte noch einmal die Sattelgurte und lud seine beiden Revolver, bevor er sie im Gürtel verstaute.
    Juana hastete mit den Proviantpaketen herbei und steckte sie in die geräumigen Satteltaschen. »Kommst du wieder?« fragte sie leise und nestelte nervös an dem Sattelriemen. »Du weißt, daß du immer wiederkommen kannst!«
    »Ja«, antwortete er einsilbig. »Vielleicht …« Aber er glaubte selbst nicht, was er sagte.
    »Mußt du wegen Bianca flüchten?« fragte Juana. »Will sie dich erpressen?«
    Villeria schüttelte den Kopf und zählte die Kaufsumme für Pferd, Sattel und Verpflegung ab. Dann stieg er auf und beugte sich zu dem tieftraurig blickenden Mädchen hinab. »Sie weiß, wer ich bin«, sagte er ruhig. »Und darum, kleine Juana, muß ich auch fort. Nicht, weil ich Angst vor dem Richter habe … aber ich will ein Leben vergessen, das verpfuscht war, sinnlos, ohne Ziel … Ich will ein neuer Mensch werden, ein völlig neues Leben beginnen … Ich will all das, was einmal gewesen ist, vergessen … Ich will nicht mehr Jack Fenton sein, sondern Roberto del Villeria …« Verwirrt betrachtete Juana ihn aus feucht schimmernden Augen.
    »Und Bianca will dich verraten?«
    »Vielleicht. Sie wollte mich zwingen, ihr Zuhälter zu werden. Würde ich ablehnen, wollte sie dem eifersüchtigen Marques ihr Verhältnis zu mir verraten. Der Marques aber weiß, wer ich bin. Und darum flüchte ich.«
    Juana hielt ihm ihre schmale Hand hin, eine Träne rollte ihr die Wange hinunter. Ihre Finger zitterten, als Villeria sie ergriff und sie sanft an seine Lippen führte.
    »Lebewohl«, sagte er, und ehrlicher Dank schwang in seiner Stimme. »Sollte es mir gelingen, ein neues Leben zu beginnen, so werde ich dich nie vergessen. Vielleicht kommt dann eines Tages die Stunde, in der ich dir deine Güte und Hilfsbereitschaft lohnen kann.«
    Er ließ ihre Hand los und drückte dem Pferd die Sporen in die Weichen. Mit einem Satz schoß das Tier aus dem Stall, galoppierte über den Hof und verschwand mit seinem Reiter im Durcheinander der Großstadt.
    Es war genau der Augenblick, in dem Bianca in die Schankstube stürzte und auf die beiden wartenden Männer prallte. »Caballeros«, kreischte sie. »Ihr könnt euch zehntausend Peseten verdienen! Hier im Haus lebt ein Mörder!«
    Juana aber stand noch lange am Stalltor und blickte hinaus in das Gewirr der Gassen, in dem Villeria verschwunden war.
    Es war der Abschied von einer großen, unerfüllten Liebe …

8
    Durch das karge Hochland trabte im anbrechenden Licht des Tages ein einsamer Reiter. Er hatte den Poncho eng um den Körper gewickelt, denn der frühe Morgen im mexikanischen Hochland war empfindlich kühl. Erst im Laufe des Vormittags pflegte die Sonne den Boden zu wärmen und dann zu verbrennen. Der Mann hockte weit vornübergeneigt im Sattel und schien zu schlafen – sein Kopf pendelte im Rhythmus des Pferdetritts und schlug immer wieder mit dem Kinn auf die Brust. Mit schlaffen Zügeln lief der Wallach den ausgetretenen Pfad entlang.
    Roberto del Villeria war die ganze Nacht über geritten. Er wollte damit zwischen sich und seine eventuellen Verfolger die größtmögliche Entfernung legen und den Vorsprung gewinnen, den er brauchte, um irgendwo in Mexiko unerkannt unterzutauchen. Das Ziel seiner Flucht war die Hafenstadt Veracruz am Golf von Mexiko. Von dort aus konnte er als Kohlentrimmer die mittelamerikanische Küste hinabfahren nach Nicaragua oder Costarica, oder er konnte sein Glück auf Haiti suchen. Auf jeden Fall mußte er als erster in Veracruz sein. Denn wer zuerst dort war, hatte das Spiel gewonnen!
    Es ging um Tage, vielleicht nur um Stunden. Als die Mittagssonne glühend auf ihn herunterstach, erwachte er aus seinem Halbschlaf. Villeria hielt an, wickelte sich aus seinem Poncho, nahm aus der Satteltasche einige Mehlfladen und eine Flasche mit kaltem Tee und begann die ersten Bissen seit seinem Aufbruch zu essen. Das mit dem Hochland vertraute, zähe Pferd knabberte unterdessen das harte, strohige Büschelgras ab und trank den dickflüssigen grünen Saft eines Riesenkaktus, den Villeria mit der Machete geköpft hatte.
    Die Rast war nur kurz. Noch kauend, schwang sich Villeria wieder in den Sattel und ließ das willige Pferd in einen leichten Trab fallen. Unbarmherzig brannte die Sonne auf die baumlose Ebene. Der Sand zwischen dem ausgedörrten
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