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Das Haus

Das Haus

Titel: Das Haus
Autoren: Andreas Maier
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ersten Marmeladentoast. Der erste Bissen fiel noch schwer, aber der zweite Toast war bereits ein großes Glück, und dazu der Tee, der immer noch warm war. Mein Hunger auf Toast war bald so groß wie der von Obelix auf ein Wildschwein. Ich aß mit großem Appetit, allein in meinem Zimmer. Manchmal schaute meine Mutter zu mir herein und fragte, wie es mir gehe, und ich sagte wahrheitsgemäß, es gehe mir besser. Gegen zehn, halb elf Uhr war der Kloß dann wie immer weitgehend verschwunden, und ich war zwar noch erschöpft, aber ansonsten wiederhergestellt und konnte, nach einem zweiten Frühstück bei meiner Mutter in der Küche, in den Bastelraum hinuntergehen, wo ich dann den Rest des Vormittags blieb und meist erst wieder zu der Stunde hochkam, in der meine Mitschüler Schulaus hatten und sich, was regelmäßig geschah, auf demHeimweg vor unserem Hoftor versammelten, um im Chor Schulschwänzer zu schreien. Oder ich trug am Vormittag mein Fahrrad von der Garage durch den Garten in den Bastelraum hinunter und putzte es oder schmierte die Kette oder reparierte es, wenn es einen Schaden hatte. An solchen Tagen, an denen ich nicht in die Schule ging, war ich natürlich traurig, nicht mit meinem Fahrrad durch das Viertel fahren zu können, denn nachmittags war das inzwischen zu meiner Lieblingsbeschäftigung geworden.

 
    M ein Fahrrad war orangefarben und hatte eine Dreigangschaltung. Im Sommer fuhr ich stundenlang mit ihm durch die Gegend und zur anderen Usa-Seite mit ihren Kleingärten und der Lindenreihe. Einen halben Kilometer von unserem Haus entfernt lag die Mathildenruhe, das war ein kleiner Spielplatz am Usa-Ufer, wie ein Amphitheater halbkreisförmig von einem Hügel umschlossen. Dort in der Nähe spielten ziemlich viele Kinder aus der Musterschule. Im Sommer des Jahres 1976 hatten sie oberhalb der dortigen Böschung eine Art Dorf gebaut. Aus alten Holzlatten, die dort herumlagen, wurden zwei Hütten zusammengenagelt, dann hatten sie noch eine Bank gebaut, oder zumindest irgendein Ding, auf das man sich setzen konnte. Was sie dort genau taten, kann ich nicht sagen, weil ich nie mit ihnen spielte, sondern sie fast immer nur aus der Ferne sah, und sie sahen mich ebenfalls nur von fern. Es waren immer mindestens sechs oder sieben Kinder. Einmal hatten sie mich zum Spielen eingeladen, ich wohnte ja in der Nähe, aber als ich zu ihnen kam, stand ich lediglich eine Viertelstunde bei ihnen herum und fuhr dann wieder davon. Siehatten mir einen offiziellen Arbeitsauftrag im Dorf geben wollen, den ich auch bereitwillig angenommen hätte, aber dann hatte sich jemand beschwert, wieso nicht er den Arbeitauftrag bekomme, sondern ich, dann disputierten sie eine Weile darüber, daß ich schon einen Auftrag bekommen müsse, wenn ich schon einmal dabei sei und mitspielen wolle, so ging es hin und her, ich wurde schnell unruhig und verschwand.
    An der Mathildenruhe fuhr ich gern mit dem Fahrrad auf und ab. An einer Stelle gab es eine Art Piste, auf der man von oben nach unten schießen konnte, es kam mir fast vor wie ein Sturzflug. Man mußte dann rechtzeitig vor dem Usa-Ufer bremsen, sonst lag man im Wasser. Stundenlang konnte ich dort hoch- und herunterfahren. Ich war allein dort, um mich herum die Linden, die Usa und der Wetterauer Himmel, und ich immer völlig unbeschwert. Mit meinem Fahrrad erkundete ich das ganze Barbaraviertel (so heißt das Viertel, in dem wir wohnten), und die genauen Grenzen dieser Welterkundung waren nördlich unser Viadukt, die vierundzwanzig Hallen, und südwestlich die Ecke Gebrüder-Lang-Straße/Fauerbacher Straße, wo die Bahnunterführung war. Dazwischen, im Kessel, lag das Barbaraviertel. Manchmal fuhr ich zur Siedlung und traf dort ein Mädchen namens Manuela, das im selben Jahr neu zu uns in die Klasse gekommen warund sogar eine Weile neben mir gesessen hatte, was für mich außergewöhnlich gewesen war. Manuela hatte auch ein Fahrrad. Wir fuhren durch die Straßen, fuhren um die Usa oder liefen auf das ehemalige Firmengelände unseres Steinmetzbetriebs. Damals war das Gelände noch nicht verkauft, es barg viele Geheimnisse und Erkundungs- und Rückzugsmöglichkeiten. Manchmal fuhr ich zum Gößwein. Der Gößwein war ein Fahrradhändler und hatte seine Werkstatt in einer Garage auf einem Hinterhof im Mühlweg. Es war ein Hinterhof mit einer ganzen Anzahl von Garagen, die nicht nur für das Abstellen von Autos genutzt wurden, sondern in denen auch gearbeitet wurde, wie es damals im
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