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035 - Das Dorf der Kannibalen

035 - Das Dorf der Kannibalen

Titel: 035 - Das Dorf der Kannibalen
Autoren: Dämonenkiller
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Er war in Hochstimmung. Immer wieder sah er verstohlen auf seine Begleiterin, die er erst vor einer knappen Viertelstunde am Straßenrand aufgelesen hatte. Sie war groß, schlank und hatte blondes Haar. Seiner Schätzung nach war sie etwa fünfundzwanzig Jahre alt. Er fand, sie lächelte sinnlich, vielleicht sogar einladend. Bezeichnenderweise hieß sie Eva. Sie trug ein leichtes Sommerkleid und verfügte über genau die Proportionen, die er schätzte.
    »Sie sind Handelsvertreter?« fragte sie und drehte sich zu ihm herum. Dabei zog sie ihr linkes Bein hoch und zeigte ihm ihre wohlgeformten Schenkel.
    »Ich gehe mit Staubsaugern hausieren. Ich weiß, das hört sich wie ein billiger Witz an, es ist aber so.«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie sehr erfolgreich sind. Sie haben dieses bestimmte Etwas, um uns Frauen herumzukriegen.«
    »Man tut, was man kann«, erwiderte er und kam sich prompt wie ein Verführer vor. »Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, Eva, die Sie niemals glauben würden.«
    »Gute Geschichten höre ich immer gern.« Sie seufzte versonnen. »In meinem Dorf kommt man vor Langeweile fast um.«
    »Ziemlich einsame Gegend, wie?« fragte er ein wenig herablassend und gönnerhaft. Er gefiel sich in der Pose des erfahrenen Mannes.
    »Wer kommt schon nach Witchcraft?«
    »Witchcraft? Nie gehört.«
    »Sie müssen da vorn links abbiegen.«
    Sie deutete auf eine Abzweigung, die er eben noch nicht gesehen hatte. Er wunderte sich zwar, dachte aber nicht weiter darüber nach. Ihre Gegenwart zog ihn ganz in den Bann. Er verlangsamte das Tempo des klapprigen Wagens und bog von der Hauptstraße ab. Die Straße führte in ein enges Tal hinunter, das aus einem Bilderbuch hätte stammen können. Unter hohen, alten Laubbäumen standen kleine, freundlich aussehende Häuser. Auf einem Teich schwammen Enten, und auf der sattgrünen Wiese dahinter waren Schafe zu sehen.
    »Gefällt es Ihnen?«
    »Sehr«, gab er zurück, »aber etwas fehlt, Eva, irgend etwas fehlt.«
    Sie blickte ihn fragend an.
    »Jetzt weiß ich es.« Jawohl, ihn konnte man nicht täuschen, er kannte sich aus. »In Ihrem Dorf scheint es keine Kirche zu geben.«
    »Die ist vor einem Jahr abgebrannt.«
    »Ach so.« Er steuerte den Wagen durch eine sanfte Kurve. »Der Gasthof steht hoffentlich noch, oder?«
    »Der wurde geschlossen. Er konnte sich gegen die Konkurrenz nicht durchsetzen.«
    »Konkurrenz? Ich verstehe kein Wort.«
    »Sehen Sie denn nicht das Motel hinter den Bäumen?« Sie sah ihn offensichtlich verwundert an.
    »Tatsächlich.« Er schüttelte irritiert den Kopf, war sicher, diesen modernen langgestreckten, zweistöckigen Bau eben noch nicht gesehen zu haben. Doch dann schmunzelte er. Sie lenkte ihn ganz schön ab.
    »Paßt eigentlich nicht ins Bild«, stellte er fest. »Daß diese Klötze überall die Landschaft verschandeln müssen!«
    »Es wird Ihnen gefallen. Der Architekt hat sich Mühe gegeben.«
    »Wie kann der Laden überhaupt existieren? Sie sagten doch eben, daß es in Witchcraft ziemlich einsam ist.«
    »Das Motel ist nur für ausgesuchte Gäste, aber ich bin dort bekannt. Sie werden bestimmt ein Zimmer bekommen.«
    »Und was wird aus unserem Abend? Ich wollte Ihnen doch meine Geschichten erzählen, Eva.«
    »Darauf bestehe ich sogar«, sagte sie kokett. »Sie werden mich bestimmt nicht aus den Augen verlieren. Ich bin doch im Motel angestellt, habe heute aber meinen freien Tag.«
    »Das klingt gut.« Er entspannte sich. »Besorgen Sie mir ein ruhiges und nettes Zimmer. Es soll nicht gerade teuer sein.«
    »Ich werde Sie überraschen«, versprach Eva lächelnd. »Nun, was sagen Sie jetzt zu dem Motel? Paßt es nicht genau in die Landschaft?«
    »Nicht zu glauben!«
    Er war ehrlich überrascht. Sie hatten das Dorf auf einer Zufahrtstraße umfahren und bereits hinter sich gelassen. Ihm war das überhaupt nicht bewußt geworden. Oben von der Straße aus war ihm das Motel sachlich-modern vorgekommen, doch jetzt bot es ein anderes Bild. Die Außenwände bestanden aus Bruchsteinen und Fachwerk. Es paßte sich harmonisch in die Landschaft ein.
    »Das begreife ich einfach nicht!« Er schüttelte den Kopf. »Genauso hätte ich es mir gewünscht, doch es sah ganz anders aus.«
    »Eine Sinnestäuschung«, meinte sie auflachend. »Sie waren schon zu lange unterwegs.«
    Sie stieg aus und ging mit wiegenden Hüften auf den Eingang zu, drehte sich dann aber noch einmal um und winkte. Er rieb sich die Augen, folgte ihr zögernd und hatte
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