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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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extremen genetischen und immunologischen Anlagen zur Hand haben mußte. Die ›Werbebüros der Fremdenlegion‹ nahmen jetzt nicht mehr besonders kräftige Jungen, sondern testeten Extremfälle heraus. Der Zulauf hatte sich im letzten Jahr verstärkt. Die Arbeitslosigkeit in Italien hatte bedenkliche Ausmaße angenommen. Hunderttausende gingen nach Deutschland als Kellner, als Maurer, in den Straßenbau, zur Müllabfuhr, an die Bänder der Autofabriken. Der Goldene Westen, der diesmal Deutschland hieß, löste eine neue Völkerwanderung aus. Auch die Fremdenlegion versprach ein sorgloses, wenn auch hartes Leben. Aber die heimlichen Werbelokale, die Gemüseläden mit den Hinterzimmern, wimmelten die jungen Burschen ab. »Überfüllt! Nur für ganz besondere Einheiten sind noch Plätze frei! Also muß jeder Bewerber sorgfältig getestet werden.« Und so wurden die jungen Männer vor allem labormäßig untersucht. Man fand nur vier Extremfälle, vier glückliche Burschen, die jubelten, als man ihnen sagte: »Für euch gibt es einen Platz!«
    Einen Platz auf der Herzbank von Camporeale!
    Als Volkmar heiratete, lebten sechsundvierzig Herzspender im Kinderheim. Er hatte die Zahl von Dr. Zampieri erfahren; er selbst besuchte nie mehr den obersten Stock von Block III.
    »Das ist Selbstbetrug, ich weiß es –«, sagte er einmal zu Loretta. »Eine Flucht in die Blindheit. Ich warte auf den Tag, an dem ich zerbreche.«
    »Dann werde ich bei dir sein, mein Liebling …«, sagte sie leise. Sie war bereit, für Volkmar auch sich selbst zu opfern, ein Leben ohne ihn wäre ihr sinnlos erschienen. Das war der unfehlbare Trumpf der Ehrenwerten Gesellschaft: Auf dieser zu jedem Opfer bereiten Liebe war das ganze grauenhafte Unternehmen gegründet. Es war undenkbar, daß Dr. Volkmar sich wissend ins Verderben stürzte.
    Die privaten Partys im Hause Dr. Sorianos gehörten, wie früher, zu den Höhepunkten des gesellschaftlichen Lebens in Sizilien. Ab und zu nahm auch der Große Rat geschlossen teil; elegante, dicke Herren, die Volkmar auf die Schultern klopften, Loretta die Hand küßten, sie mit Schmeicheleien überschütteten und sehr zufrieden waren mit den geschäftlichen Erfolgen der Klinik.
    Nur zweimal mißlang eine Transplantation. Der Mensch ist nun einmal nicht vollkommen. Aber die Kranken gingen nicht an ihren neuen Herzen zugrunde. Einer starb an einer Hepatargie, einer Leberinsuffizienz, der andere, eine Frau aus Kanada, Gattin eines Ölmillionärs, an einem plötzlich aktivierten Pankreaskarzinom. In beiden Fällen führte man das allerdings auf die unterdrückte Immunreaktion zurück.
    Worthlow hatte zum erstenmal in seinem Leben Urlaub genommen. Er durfte sogar in seine Heimat, nach England, reisen, blieb dort zwei Monate und kam mit großen Neuigkeiten zurück.
    »Sir«, sagte er zu Dr. Volkmar, als sie allein auf der Dachterrasse standen und aufs Meer hinausblickten. »Ich habe mich bemüht und glaube, erfolgreich gewesen zu sein. Ich stamme aus der Grafschaft Wigtown, aus Glenluce. Wer kennt schon Glenluce?! Aber noch unbekannter ist Ballantrae, an der Küste gelegen, Irland gegenüber. In Ballantrae wäre man glücklich, einen Arzt zu haben, Sir. Sogar ein schönes altes Landhaus, direkt am Meer gelegen, wäre zum Bezug bereit. Sie hätten zwar wenig zu tun, die Leute dort sind sehr gesund, aber gerade in dieser Gegend könnten Sie auch das Vieh mitbehandeln. Daran gewöhnt man sich, Sir. Auf jeden Fall hätten Sie Ruhe, keiner fragt Sie nach Ihrer Vergangenheit, Sie hätten eine Menge echter Freunde; es wäre ein Leben unter einem weiten Himmel, vor einem ewig donnernden Meer. Ein Land, so urwüchsig, als sei es gerade erst erschaffen worden.«
    »Worthlow, Sie reden ja wie ein Lyriker!« sagte Volkmar ernst.
    »Ich liebe dieses Land, Sir. Wenn Sie sich entschließen könnten, dort zu leben – mit mir, wenn ich Ihnen genehm bin … An der Küste von Ballantrae könnte man alles vergessen.«
    »Und wie sollen wir jemals von Palermo nach Ballantrae kommen?«
    »Mit der Yacht nach Tunis. Von Tunis mit dem Flugzeug nach Marseille. Von Marseille nach London. Selbst wenn man uns auf diesem Weg verfolgen würde – ab London gibt es keine Spuren mehr. Sie sind dann zum zweitenmal gestorben. Zuerst als Dr. Volkmar, dann als Dr. Monteleone. In Ballantrae werden Sie Dr. James Selby heißen. Der Paß, völlig einwandfrei und bereits mit Ihrem Foto versehen, liegt bei einer Cousine von mir in Glasgow.«
    »Sie sind ein alter,
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