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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Löwen.
    Soriano bewies wieder seine Fähigkeit, Gedanken zu ahnen. »Die Löwen nehmen wir anschließend«, sagte er. »Betrachtet das als ein letztes Hochzeitsgeschenk. Ich schließe damit die Ära Don Eugenio ab.«
    »Wenn das möglich ist, Papa, wird meine Hand nicht zittern!« Loretta hob den Kolben an die Wange und zielte. Im Fadenkreuz des Zielfernrohrs erschien groß ein Krokodilauge. Kalt, mordglänzend, von gepanzerten Wülsten umrahmt.
    Loretta drückte ab. Noch im Aufbellen des Schusses schleuderte sich das Krokodil hoch, stand auf seinem langen hornigen Schwanz fast senkrecht und stürzte dann in den Schlamm.
    »Hervorragend!« sagte Soriano mit rauher Stimme. »Wie sie schießen kann! Ab und zu, Enrico, erkenne ich in meiner Tochter Eigenschaften von mir. Nicht alles hat sie von ihrer Mutter geerbt.«
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis alle Reptilien in dem künstlichen See erschossen waren. Auch Soriano schoß mit … er nahm Volkmar das Gewehr ab, als er sah, daß er mehrmals daneben schoß.
    »Ich kann mich an das Töten nicht gewöhnen!« sagte Volkmar heiser und wandte sich ab. »Ich wollte immer nur Leben erhalten …«
    Er ging allein zurück zum Haus, setzte sich unter die Säulenhalle und ließ sich von Worthlow einen Longdrink mixen. Vom See krachten weiter die Schüsse.
    »Wir bauen ab, Sir, nicht wahr?« fragte der Butler.
    »Bei den Krokodilen und Löwen.«
    »Vor zwei Jahren wäre so etwas undenkbar gewesen.«
    »Aber ich muß weiter operieren!«
    »Sir, die Küste von Ballantrae wartet auf Dr. James Selby.«
    »Vielleicht in drei Wochen, Worthlow. Ich habe Soriano gesagt, daß ich unbedingt Ruhe brauche, neue Nervenkraft. Ich kann mir ein Zittern der Hände nicht erlauben. Und ich zittere, sobald ich an den OP-Tisch trete.«
    »Ich werde alles für diesen Termin vorbereiten, Sir. Haben Sie Narkosemittel in der Bordapotheke?«
    »Natürlich.«
    »Das ist gut, Sir. Der Mannschaft wegen … Wenn sie Alarm schlägt, sollten wir mindestens schon auf dem Flug nach London sein.«
    Volkmar blickte hinüber auf den Weg, der zu dem See führte. Das Schießen hatte aufgehört.
    »Und wenn es auch dieses Mal schiefgeht?« fragte er leise.
    Worthlow trat würdevoll an den runden Tisch und stellte das obligate Glas Milch vor Sorianos Korbsessel. Von weitem sahen sie Loretta und ihren Vater kommen – mit geschulterten Gewehren.
    »Dann kommen wir alle um eine Konsequenz nicht herum, Sir!« antwortete Worthlow steif. »Aber dann hat sie einen Sinn.«
    Nach dem Frühstück, das sehr einsilbig verlief, ging Dr. Soriano allein in den maurischen Löwenhof. Loretta tastete nach Volkmars Hand und hielt sie fest, als viermal das trockene Peitschen der Gewehrschüsse die friedliche, von Sonne und Blütenduft angereicherte Stille durchbrach.
    Loretta lehnte den Kopf gegen Volkmars Schulter und schloß die Augen.
    »Weißt du, was das für Papa bedeutet?«
    »Ich glaube schon.«
    »Er stellt sein Leben völlig um. Unseretwegen.«
    »Zu spät, mein Liebes. Ich glaube, es ist viel zu spät. Was er getan hat in all den Jahrzehnten, kann man mit dem Erschießen von Krokodilen und Löwen nicht aus der Welt schaffen.«
    »Ich habe das alles nicht gewußt. Glaubst du mir das?«
    »Sonst hätte ich dich auch nie geheiratet, Loretta. So schön du bist, so klug und zärtlich, so begehrenswert – wenn ich entdeckt hätte, daß du auch nur einen einzigen Blick in das ›andere‹ Leben deines Vaters geworfen und nicht aufgeschrien hättest vor Entsetzen – ich hätte dir nur mit Schaudern die Hand gegeben. Und weiter nichts.«
    »Und jetzt?«
    »In drei Wochen fliegen wir nach London. Worthlow hat alles vorbereitet. Du wirst Mrs. Selby heißen.«
    »Er hat mir alles erzählt.« Sie umfaßte ihn und drückte sich an ihn. »Ist es so wichtig, wie wir heißen? Ob Selby oder Tordson, Smith oder Dubonnay … was sind Namen? Du bist bei mir, und ich bin bei dir. Mehr brauche ich nicht auf dieser Welt.«
    »Eine rauhe Küste an einem rauhen Meer.«
    »Du bist da!«
    »Möwengeschrei. Stürme, die mit eisigen Nadeln peitschen. Vom Wind gebogene Bäume, harte Gräser in Sand und rohem Gestein. Kahle Hochebenen, von Erosionen zerfressen. Ein paar Schafherden. Menschen mit ledernen Gesichtern …«
    »Du bist bei mir!«
    »Ein altes Landhaus, um das nachts der Sturm heult, daß die Deckenbalken krachen.«
    »Ich werde glücklich in deinen Armen schlafen.«
    »Du wirst Sizilien nie wiedersehen. Keine Palmen, keine Pinienhaine, keine
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